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Kinder: Subjekte, nicht Objekte

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Das Bild des Kindes ist im Wandel begriffen. Auch in Österreich finden sich immer mehr Leute, die sich für eine Umsetzung der Rechte der Kinder im Alltag engagieren. Derzeit arbeiten alle diese Menschen verschiedenster politischer oder konfessioneller Herkunft an einer Tagung zum Thema „Rechte der Kinder", die im Mai 1992 stattfinden soll.

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Das Bild des Kindes ist im Wandel begriffen. Auch in Österreich finden sich immer mehr Leute, die sich für eine Umsetzung der Rechte der Kinder im Alltag engagieren. Derzeit arbeiten alle diese Menschen verschiedenster politischer oder konfessioneller Herkunft an einer Tagung zum Thema „Rechte der Kinder", die im Mai 1992 stattfinden soll.

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Welches Bild von Kindern begegnet uns im Alltag - etwa im Supermarkt, wenn die entnervte Mutter ihren Sprößling „züchtigt", wie es im Juristendeutsch heißt? Wer die Reaktionen der umstehenden Menschen, sich selbst oft eingeschlossen, beobachtet, wird erkennen müssen, daß sich in den wenigsten Fällen jemand auf die Seite des Kindes stellt. Nicht so sehr, weil alle es gutheißen, daß Kinder von ihren Eltern geschlagen werden, sondern aus einem Rechtsempfinden heraus, daß die Eltern mit „ihrem" Kind machen können, was sie wollen. Und daß dieser familiäre Bereich einen Außenstehenden nichts angeht.

Genau diese Sichtweise des Kindes als Objekt der Herrschaft der Eltern oder deren Fürsorge prägt auch die Gesetze, die das Zusammenleben zwischen Kindern und Erwachsenen regeln. Diese herkömmliche Sichtweise entspricht nicht mehr den gesellschaftlichen Strömungen der letzten 20 bis 30 Jahre. Die rechtliche Gleichstellung der Frau hat auch ein Umdenken in der Beziehung zwischen Kindern und Erwachsenen gebracht: Kinder haben Rechte, die in der UN-Konvention von 1989 festgehalten wurden. An der Umsetzung dieser Kinderrechte in österreichisches Recht wird derzeit gearbeitet. Die Ratifizierung soll im Frühjahr 1992 vollzogen sein.

Neu: Kinderanwälte

Zum gleichen Zeitpunkt wird in der internationalen Schule in Wien eine Tagung zum Thema „Rechte der Kinder" stattfinden. Diese Veranstaltung hat zwei vorrangige Ziele: erstens, all jene in Österreich zusammenzubringen, die sich für die Umsetzung der Rechte der Kinder in die Praxis engagieren wollen; und zweitens, eine öffentliche Diskussion über das Thema „Kinderrechte" auszulösen, damit sich unter österreichischen Eltern, Lehrern, Erziehern und auch Politikern herumspricht, daß Kinder Rechte haben, die es zu achten gilt.

Denn man kann davon ausgehen, daß die wenigsten Österreicher wissen, daß ein Züchtigungsverbot seit 1989 existiert, beziehungsweise das Wissen für sie keinen praktischen Wert hat. „Mein Kind gehört mir" - diese Meinung herrscht vor, und hier muß die Aufklärungsarbeit ansetzen.

Im Vorfeld der Tagung finden bereits interessante Diskussionen statt. So wurde etwa beschlossen, alle Arbeitskreise auch für Kinder zu öffnen, Kinder bei den Vorbereitungen einzubeziehen und mit ihnen in einem Kinderprogramm zum Thema zu arbeiten - sie also nicht nur zu beschäftigen. Ein Novum dieser Veranstaltung ist auch die Bandbreite der Mitveranstalter. Organisiert wjrd die Tagung von der Wiener Kinder- und Jugendanwaltschaft.

Kinderanwälte sind ein Modell für die Umsetzung von Kinderrechten in die Praxis. Derzeit laufen in einigen Bundesländern Verhandlungen über unabhängige, nur dem Parlament verantwortliche Kinderanwälte, die dann auch bei jedem neuen Gesetz die An-1 iegen der Kinder durchsetzen sol len. Die juristische Grandlage dafür bildet das Jugendwohlfahrtsgesetz von 1989.

Gewaltfreier Umgang

Neben der Umsetzung der UN-Konvention fordert etwa die Wiener Kinder- und Jugendanwältin Claudia Pronay eine Umformulierung aller Bestimmungen, in denen Rechte der Kinder als Pflichten der Erwachsenen normiert sind, eine radikale Herabsetzung des Wahlalters, eine Durchforstung aller Altersgrenzen im Hinblick auf ihre Notwendigkeit als Schutzmaßnahme und nicht zuletzt eine Einbeziehung der Kinder in politische und kommunale Entscheidungspro-zesse, die sie betreffen (etwa bei der Planung von Spielplätzen). Hier gibt es bereits Beispiele in der BRD, der Schweiz, Frankreich und auch in Graz.

Kinder sind aber in der Realität immer noch Objekte und nicht Subjekte. Sie empfinden sich auch selbst als rechtlos und klein, weil keiner der Erwachsenen sich die Mühe nimmt, ihnen ihre Rechte zu erklären. Auch das ist ein wichtiges Anliegen aller, die an der Umsetzung der Kinderrechte in die tägliche Praxis arbeiten -Kindern ihre Rechte in einer ihnen verständlichen Sprache zur Kenntnis zu bringen. Und Kmder zu motivieren. Rechte, die sie für sich gern in Ansprach nehmen würden, zu formulieren.

Letztlich geht es aber um ein Umdenken in jedem von uns. Kinder sind gleichberechtigte Partner, die aus einem Mangel an Fähigkeiten und Erfahrungen in vielen Beziehen unsere Hilfe brauchen. Nurein gleichberechtigtes Miteinander von älteren und jüngeren, stärkeren und schwächeren Menschen ist ein Garant für einen gewaltfreieren Umgang mit Kindern.

„Wie wir mit den Kindern von heute umgehen, das wird die Welt von morgen prägen" - und wer wünscht sich nicht eine Welt ohne Gewalt...

Die Autorin ist Pressereferentin des Vereins ..Kinderbegleitung" (setzt sich für die Mitauf-nahme von Eltern ins Spital ein) und freie Journalistin.

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