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Kinder zählen nicht beim Steuerzahlen

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In die laufende Debatte über eine Milderung des Steuerdrucks hat der Gewerkschaftsflügel der SPÖ Ideen wie Abschaffung bzw. Einfrieren des Alleinverdienerbetrages oder Erhöhung des Alleinverdienerbetrages für Familienerhalter eingebracht. Wer die sozialistische Lust am Nivellieren in Sachen Familienlastenausgleich in der Vergangenheit beobachtet hat, muß fürchten, daß wieder Schritte in jene Richtung erfolgen, die keine Rücksicht darauf nehmen, ob ein, drei oder fünf Kinder aus dem Familieneinkommen zu erhalten sind.

Die ÖVP hat einen Gesetzentwurf zur Steueranpassung vorgelegt, der einen Familienerhalter-Alleinverdiener- absetzbetrag vorsieht - ohne Rücksicht auf die Zahl der Kinder. Solche Formulierungen in den Medien erweckten den Eindruck, als ob die ÖVP „ein Stück Weges gemeinsam mit den Sozialisten“ auf der Nivellierungstraße gehen wolle.

Auf einer ÖVP-Steuertagung stellte Alois Mock aber klar, daß der neue Absetzbetrag nur als Ansatz zur Schaffung eines Existenzminimums für die Gattin des Familienerhalters gedacht ist, solange sie der Kinder wegen auf eine eigene Erwerbstätigkeit verzichtet. Darüber hinaus besteht weiterhin die Forderung, daß auch eine steuerliche Entlastung entsprechend der Zahl der Kinder zu erfolgen habe.

Der ÖVP geht es um eine Wiederverankerung der Familie im Steuersystem, aus dem sie Finanzminister Hannes Androsch schrittweise eliminiert hat, ohne Beachtung jenes elementaren Grundsatzes, nach dem die Belastbarkeit des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen ist. 1973 ersetzte Androsch die Haushaltsbesteuerung, sehr zum , Wohle kinderloser Ehepaare, durch die getrennte Besteuerung jedes erwerbstätigen Ehepartners. Mütter mehrerer Kinder können kaum den Vorteil der Individualbesteuerung ausnützen.

Der Ausfall des zweiten Familieneinkommens wird durch die Einführung des Alleinverdiener- und des Kinderabsetzbetrages nicht im entferntesten ersetzt; besonders dann nicht, wenn die Kinderabsetzbeträge 1981 immer noch ganz oder nahezu auf*dem Niveau von 1973 zurückgeblieben sind.

Die mächtige Stimme des ÖGB im Ohr, hat der Finanzminister den Absetzbetrag für Arbeitnehmer bis jetzt um 173 Prozent, für Alleinverdiener um 113 Prozent, für das erste Kind einer Familie um 31 Prozent, für alle übrigen Kinder aber überhaupt nicht erhöht.

Bis Februar 1981 verzeichnen wir einen Inflationsverlust von rund 65 Prozent. In der heuer eingeführten Einheitsbeihilfe von 1000 Schilling ist der in sie einbezogene Kinderabsetzbetrag immer noch, wie vor acht Jahren, mit nur 350 Schilling berücksichtigt, wäh-

rend eine Einheitsbeihilfe mit einem inflationsbereinigtem Kinderabsetzbetrag eigentlich 1227 Schilling betragen müßte.

Die Einbeziehung des Kinderabsetzbetrages in die Familienbeihilfe wurde von der Regierung als Verwaltungsvereinfachung bezeichnet. Darüber hinaus erweckte sie den durchaus erwünschten Eindruck einer höheren Beihilfe, während in Wahrheit nicht einmal ein Inflationsausgleich erfolgt ist. Nachdem formell der Kinderabsetzbetrag eliminiert ist, ersparte sich Androsch seine Anhebung im Jahr darauf, als andere Absetzbeträge erhöht wurden und es wird alle Anstrengung bedürfen, daß sich dieser Vorgang nicht auch 1982 wiederholt.

Zu solcher Aufmerksamkeitgibt Anlaß, nachdem kürzlich der Finanzausschuß eine Petition des Katholischen Familienverbandes mit der Forderung nach einem famiiiengerechten Steuersystem einem Unterausschuß zugewiesen hat, worin Kenner der parlamentarischen Praxis mehr einen Höflichkeitsakt als den Willen der Sozialisten zu einer Realisierung der Forderung sehen. Zu solcher Vermutung gibt ein Blick auf die leeren Staatskassen und den gigantischen Schuldenberg Anlaß, den Kreiskys „bester Finanzminister der Zweiten Republik“ seinem Nachfolger hinterlassen hat.

Mit einer Anhebung der Kinderabsetzbeträge im Rahmen der Familienbeihilfe ist nichts getan. Die Einführung der Einheitsbeihilfe von 1000 Schilling pro Kopf, ohne Rücksicht, ob ein oder mehrere Kinder das Familienbudget belasten, ist in österreichischer - und auch in internationaler - Sicht eine Fehlentwicklung. Vor 1970 wardie Beihilfe pro Kopf in der Mehrkinderfamilie um rund 40 Prozent höher als für die Einkindfamilie. Diese progressive Kinderstaffelung ist 1954 mit den Stimmen der Sozialisten beschlossen worden. Und dieser Beschluß hat bis heute nichts von seiner Berechtigung verloren.

Dafür spricht auch, daß die deutschen Sozialdemokraten, statt eine Einheitsbeihilfe anzustreben, heuer erneut die Beihilfenstaffelung erhöht haben: ab dem dritten Kind ist die Beihilfe mit 240 D-Mark fünfmal so hoch wie für das erste Kind einer Familie.

Die einzige Differenzierung, die wir heuer im Beihilfensystem haben, ist eine um 50 Schilling höhere Beihilfe für Kinder ab dem zehnten Lebensjahr, die nächstes Jahr um weitere 200 Schilling angehoben werden soll. Opposition und Familienverbände sind sich einig, daß dies ein Schritt in die richtige Richtung ist, aber die Altersstaffelung darf nicht statt, sondern muß neben eine Staffelung nach der Zahl der Kinder treten, die das Familienbudget belasten.

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