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Digital In Arbeit

Kinderkriegen, Kochen, Staubwischen ist zuwenig

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Wie kam der Gedanke auf, die Berufstätigkeit einer Frau mit ihrer Emanzipation gleichzusetzen? Kein Dasein ist stärker belastet, also weniger „befreit“, als das einer berufstätigen Frau, die überwiegend - die Statistik beweist es - für einen Ehemann und sehr oft auch für Kinder zu sorgen hat. Sie steht unter dem unaufhörlichen Druck einer 7-Tage-Arbeitswo- che und hat bei der einen Tätigkeit oft ein schlechtes Gewissen, die andere zu vernachlässigen. Hertha Firnberg, stellt fest, es gebe für Emanzipation keine wichtigere Voraussetzung, als Zeit zu haben. Nur für eine ganz kleine Zahl von Frauen am Anfang unseres Jahrhunderts, die sich eine gehobene Berufsausbildung und -ausübung erkämpft hatten, war der Beruf eine Befreiung. Die übrigen berufstätigen Frauen, und es waren damals prozentuell ebensoviel wie heute, nur in etwas anderen Berufen, waren eine schweigende Mehrheit in einer schweren Lebenssituation, die der Beruf nicht verbesserte und aus der er auch keinen Ausweg bot.

Der Ruf nach Emanzipation hat andere Ursachen. Mit der Entwicklung der Technik und Industrie in den vergangenen Jahrhunderten wird jede Arbeitsleistung nur mehr in ihrem materiell meßbaren Aspekt gesehen. So galt die Leistung der Hausfrau nur ‘mehr als die der Köchin, der Kinderfrau für die leibliche Versorgung der Kinder, des Stubenmädchens usw. Im westlichen Europa enthält noch heute der Begriff des Haushaltens, der Hauswirtschaft viel stärker als bei uns die Sorge für das seelische und geistige Wohl und für den menschlichen Zusammenhalt der Familie. Hier liegt die eigentliche Leistung der Hausfrau über die genannten Berufstätigkeiten hinaus.

Unbedankte Leistung

Mit diesem Haus-Halt gibt sie den Familienmitgliedern Vertrauen, Sicherheit, Rückhalt, die so entscheidend für die Lebensqualität jedes einzelnen sind und die wir in unserem hektischen, reizüberfluteten Leben mehr als je brauchen. Diese Aufgabe zu erfüllen, war immer so selbstverständlich, daß ihr Wert niemandem mehr, auch den Frauen selbst nicht, bewußt ist. Aber auch der materielle Wert ihrer Arbeit, die alltägliche Versorgung der Familienmitglieder mit Nahrung, Kleidung und geordneter Behausung - eine recht aufwendige Bedarfsdeckung, wie die Kosten in kollektiven Einrichtungen, z. B. Heimen, zeigen - wird heute unterschlagen. Das zeigen die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung im Bruttonationalprodukt, in dem diese Wertschöpfung nicht aufscheint, und ebenso die mangelnde soziale Sicherheit in Alter und Krankheit für die Hausfrau auf Grund ihrer eigenen Leistung.

Gleichzeitig wurde die öffentliche Meinung dahingehend beeinflußt, die Frau könne nur ihre Gattungsaufgabe gegenüber dem Mann und mit dem Gebären der Kinder erfüllen, könne nur dienen, habe aber keine Fähigkeiten des Verstandes, des Künstlerischen, des Organisierens, der Menschenführung, um „höhere“ Aufgaben in Berufen, im kulturellen Leben und in der Politik erfüllen zu können.

Solche Abwertung und Einengung führte natürlicherweise zu einer übergroßen Sehnsucht nach Befreiung von Zwang, Abhängigkeit und Einseitigkeit, zu einem Ausbruch, den man wieder sehr rasch in abwertender Manipulation, mit dem Reizwort Emanzipation mit negativer Tönung versah. Begreiflicherweise ist es schwer, „Herr“-schaft aufzugeben. Freilich gingen auch die Frauen manchmal zu weit und schütteten das Kind mit dem Bad aus, ohne klare Vorstellungen zu haben, was, vor allem an menschlichen Werten, es zu bewahren galt und was anderseits gerechterweise an neuen Lebensmöglichkeiten auch den Frauen offenstehen müsse, um eine volle Persönlichkeitsentfaltung anzü- bieten.

Diese nicht genügend klare Beurteilung der Situation und der Ziele, die die Frau manipulierbar macht und an der heute die ganze Gesellschaft leidet, ist wohl auch ein Resultat des Festhaltens der Frau durch viele Generationen in der einseitigen weiblichen Lebensaufgabe, so daß andere ihrer Fähigkeiten ungeübt blieben. Auch die Kirche hat hier manches versäumt, indem sie orientalische Vorstellungen vom Wesen der Frau, die dem Christentum nicht immanent sind, aber den damaligen Gesetzen gemäß waren, übernahm.

Und Frauen tun da mit…

Wie rasch Frauen bisherige Einseitigkeiten ausgleichen können und sich in Neuem bewähren, wird in allen Bereichen sichtbar, zu denen sie Zugang finden können. Diese Fähigkeit des Aufholens scheint mit ein Grund zu sein, ihnen heute, manchmal nachdrücklicher als vor einem halben Jahrhundert, den Weg in gehobene Berufe und Positionen, etwa in der Politik, zu erschweren. Der Konkurrenzkampf zwischen Männern und Frauen ist härter geworden, beiden zum Nachteil.

Geistig und seelisch Unbewältigtes kommt oft bei der Hintertür wieder herein. Gleichzeitig mit dem Ablehnen der Gattungsaufgabe durch die Frau wird sie wie kaum jemals zuvor in primitiver und rein materieller Weise zum bloßen Sexualobjekt. Und Frauen selbst tun da mit. Sie kaufen Illustrierte dieses Niveaus oder lesen sie beim Friseur und lassen sich entsprechende Moden und Verhaltensweisen vorschreiben. Der Erfolg gewisser Werbung stellt sich auch bei Frauen ein.

‘Das ungenügende Wissen und Bewußtsein über echte Lebensordnun- gen und -werte bringt eine allgemeine Lebensunsicherheit mit sich. So läßt man sich heute, abhängig von jeder Zeitströmung, viel zu oft in neue Denkformen, „Rollen“ und Abhängigkeiten manipulieren. Die Sprache entlarvt auch hier: Eine Rolle, austauschbar wie beim Theater, wird den Frauen als erstrebenswert vorgestellt, nicht eine Lebensaufgabe. Der Zusammenhang von Sinnleere bei gleichzeitiger Arbeitsüberforderung mit der Zunahme von Alkoholismus und anderen Süchten bei Frauen ist evident.

Vielleicht, weil die menschliche Aufgabe in der Familie, wenn sie in vollem Umfang wahrgenommen wird, so große Anforderungen an die Persönlichkeit und die Entfaltung der Frau stellt, wendet sie sich lieber außerhäuslicher Berufsarbeit zu, den Dingen, für die sie ausgebüdet worden ist, und der Arbeit, die mehr Sozialprestige und dazu ein Einkommen bringt. Sicher muß es der Freiheit der Frau überlassen sein, ob sie heiraten, ob sie Kinder haben will. Aber das muß ihre persönliche und bewußte Entscheidung sein und nicht ein Mittreiben in einer Zeitströmung oder Ideologie oder ein neuer Zwang.

Gleichwertig - nicht gleichartig

Jede Änderung in der Lebenssituation der Frau trifft auch den Mann. Auch er müßte sich von seinen erstarrten Lebensformen befreien. Wie bei der Frau gibt es für ihn jeweils vernachlässigte Persönlichkeitsbereiche und Verhaltensweisen, freilich anderer Art, die ihn an der vollen menschlichen Anteilnahme am Leben in Partnerschaft mit der Frau hindern. Kein matriarchalisches Zeitalter ist das Ziel. Aber die echt emanzipierte Frau müßte nicht wie ein Mann agieren wollen, sondern ihr Frausein, das sie unabdingbar als Weise ihres Daseins ins Leben mitbekommen hat, neu in der Art verwenden, wie sie Probleme sieht, löst und das Ihre zur Gestaltung des Zusammenlebens beiträgt.

Gott schuf den Menschen; als Mann und Frau schuf er sie. Aber er hat auch jeden einzelnen bei seinem Namen gerufen. Dieser Würde der Einmaligkeit des Menschen wird kein Abbruch getan, wenn wir die uns allen gemeinsamen menschlichen Grundlagen und Fähigkeiten des Denkens, Fühlens und Wollens in männlicher oder fraulicher Ausprägung verwenden, gleichwertig, aber nicht gleichartig. Wie Einatmen und Ausatmen braucht die Menschheit auf der Erde Männei und Frauen.

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