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Kinderwunsch ist immer Privatsache

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Ärzte aus West und Ost tauschten in Wien ihre Erfahrungen mit der In-vitro-Fertilisation aus. Können die neuen Methoden die ethischen Vorbehalte aus dem Weg räumen?

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Ärzte aus West und Ost tauschten in Wien ihre Erfahrungen mit der In-vitro-Fertilisation aus. Können die neuen Methoden die ethischen Vorbehalte aus dem Weg räumen?

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FURCHE: Beim internationa-lenKongreß über die Zukunft der In-vitro-Fertilisationvom2. bis 4. April in Wien haben Sie eine Methode vorgestellt, die - wie Sie selbst gemeint haben — viele ethische Bedenken aus dem Weg räumt.

WILFRIED FEICHTINGER: Bisher war es so, daß man der Frau Eizellen entnommen hat, diese wurden außerhalb des Körpers mit dem Samen des Mannes befruchtet und danach wieder in den Mutterleib eingepflanzt.

Allerdings waren auch wir schon in der Situation, daß wir bei einer Frau sieben oder acht befruchtete Eizellen dann gehabt haben, die wir mit Rücksicht auf die Gefahr für die Frau bei Mehrfachschwangerschaften nicht alle auf einmal wieder einpflanzen konnten. Die übriggebliebenen befruchteten Eizellen haben wir daher eingefroren.

Dieses Einfrieren der überzähligen Embryonen ist ethisch insofern problematisch, weil dabei beginnendes menschliches Leben sozusagen aufs Eis gelegt wird.

Nunmehr ist es uns gelungen, auch unbefruchtete Eizellen einzufrieren. Die . Eizellen werden nach unserer Methode nach dem Auftauen in der medizinisch tatsächlich notwendigen Anzahl befruchtet.

FURCHE: Wurden Ihre ethischen Vorbehalte gegenüber dem Einfrieren von befruchteten Eizellen von allen Kongreßteilnehmern geteilt?

FEICHTINGER: Britische, französische und auch amerikanische Ärzte haben weniger Bedenken, befruqhtete Eizellen einzufrieren oder auch mit ihnen zu experimentieren.

FURCHE: Wie haben Sie bisher Ihre ethischen Bedenken überwunden?

FEICHTINGER: Wir haben die befruchteten Eizellen mit der Überlegung eingefroren, daß das Uberleben dieser Embryonen irgendwie gewährleistet sein muß, und zwar in der Form, daß die Frau später wieder kommt, sich ihre befruchteten Eizellen sozusagen abholt und einpflanzen läßt. Und wenn das nicht der Fall ist, sollte gewährleistet sein, daß diese befruchteten Eizellen in einer Form pränataler Adoption einem anderen Ehepaar mit bisher unerfülltem Kinderwunsch gespendet werden.

FURCHE: Aber auch das Spenden von befruchteten wie unbefruchteten Eizellen ist ethisch wie rechtlich umstritten.

FEICHTINGER: Heute haben wir die medizinischen Möglichkeiten, auch einer Frau, die zum Beispiel keine Eierstöcke mehr hat, zu einem Kind zu verhelfen, indem wir eine gespendete Eizelle mit dem Samen ihres Gatten befruchten, und diesen Embryo trägt dann diese Frau selbst aus.

Ich weiß, das wird vor allem in kirchlichen Kreisen abgelehnt, genauso wie die Samenspende.

Wenn man aber als Arzt mit diesen Paaren - sowohl jenen, die eine Eispende als auch jenen, die eine Samenspende brauchen — konfrontiert ist, ihren Leidensdruck sieht, dann muß man, wenn man kann, einfach helfen.

FURCHE: Sie haben beim Kongreß auch eine Befragung unter ihren ehemaligen Patientinnen hinsichtlich deren Bereitschaft zur Eispende präsentiert.

FEICHTINGER: Wir haben Frauen befragt, die in einer unerfüllten Kinderwunschsituation waren, die aber inzwischen erfolgreich behandelt wurden. Uber die Hälfte der befragten Frauen hat sich bereit erklärt, einer anderen Frau eine Eizelle zu spenden.

FURCHE: Und wie war der Tenor der ablehnenden Antworten?

FEICHTINGER: Viele haben angegeben, daß der Mann dagegen ist. Einige Frauen haben auch gesagt, sie hätten dabei das Gefühl, ein Kind wegzugeben. Wieder andere hatten Angst davor, daß ein mißgebildetes Kind entstehen könnte.

FURCHE: In mehreren Ländern will die Gesellschaft die Anwendung bestimmter Methoden — vor allem im Interesse des Kindes — bestimmten Regeln unterwerfen. Soll sich die Gesellschaft Ihrer Meinung nach da überhaupt einmischen?

FEICHTINGER: Im Prinzip nicht. Wenn ein Paar zum Arzt kommt, bei dem es entweder auf der männlichen oder auf der weiblichen Seite ein Problem gibt, und dieses Paar wünscht sich nun ein Kind, dann ist das in erster Linie eine Privatsache. Auch wenn ein Mann und eine Frau entscheiden, auf „natürliche“ Art und Weise ein Kind zu bekommen, dann ist das deren eigene Entscheidung. Und wenn sie sich entscheiden, einen Arzt oder eine bestimmte Methode zu Hilfe zu nehmen, dann soll das auch ihrer eigenen Entscheidung überlassen werden.

FURCHE: Während die In-vi-tro-Fertilisation unter Ehepaaren — bis auf das Einfrieren der befruchteten Eizellen — relativ unumstritten ist, schafft vor allem das Problem der anonymen Samenspender große rechtliche B cdsTilcsTim

FEICHTINGER: Wir sollten die Gesetze daher insofern ändern, daß der Ehemann, der einer Befruchtung seiner Frau mit Spendersamen zugestimmt hat, danach nicht mehr über das Recht verfügt, die Ehelichkeit des Kindes dennoch bestreiten zu dürfen.

FURCHE: Können Sie eigentlich Ursachen nennen, die die wachsende Unfruchtbarkeit bei Männern wie Frauen in den USA und in Europa erklären?

FEICHTINGER: Wir haben gerade eine Studie in Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt für Pflanzenschutz fertiggestellt. Danach besteht auch ein gewisser Zusammenhang zwischen der Unfruchtbarkeit beim Mann und Rückständen aus Umweltgiften. Ein anstrengender Lebenswandel - viel Rauchen, viel Arbeiten, viel Streß und wenig Schlaf - ist aber der Hauptgrund für die Sterilität beim Mann.

Was die Frauen betrifft, so muß man jenen rechtgeben, die die relativ freie Sexualität anprangern. Die ist mit eine Ursache für allerlei Entzündungen. Und natürlich kommt es nach einer Abtreibung sehr leicht auch zu einem Verschluß der Eüeiter.

FURCHE: Haben Sie sich in einer stillen Stunde eigentlich nie Gedanken gemacht, welche Möglichkeiten des Miß brauchs Sie mit Ihrer Forschung und der Entwicklung der Behandlungsmethoden eröffnen?

FEICHTINGER: Ich glaube an das Positive im Menschen und ich bin überzeugt davon, daß die Ärzte, die solche Methoden der Sterilitätsbehandlung anwenden, keinen Mißbrauch damit treiben.

Die Möglichkeit eines Mißbrauchs darf aber nie dazu führen, daß man positive Ergebnisse und Hilfestellungen des Arztes für den Menschen untersagt.

Univ.-Doz. Dr. Wilfried Feichtinger, einer der „Väter“ des ersten österreichischen,.Retortenbabys“, leitet (gemeinsam mit Dr. Peter Kemeter) das Institut für Endokrinologie der Fortpflanzung und In-vitro-Fertilisie-rung in Wien. Mit ihm sprach Tino Teller.

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