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Kino-Liebhaberei

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Seit Mitte der siebziger Jahre ist in Wien eine für das Publikum interessante Kinokultur im Entstehen. Neben den großen Premierenkinoketten KEBA, einem Gemeindebetrieb, und Constantin, einem Filmverleih mit üppigen Kinocentern (wie das „Artis“ in der Wiener Innenstadt), etablieren sich immer mehr von diesen gigantischen Firmenkomplexen unabhängige „Programm- und Filmkunstkinos“, die den Kunstverständigen ansprechen wollen und dies im besten Fall mit Film-Klassikern und spröden unkonventionellen Arbeiten* versuchen.

Die Inhaber dieser Programmki-nos sehen, mit geringen Abstufungen je nach Zielpublikum, Film zunächst als erhaltenswerte Kunst und erst in zweiter Linie als Ware. Eine Selbstverständlichkeit, könnte man meinen. Doch aus diesem Kontrast-Film einerseits als Kunstgattung, andererseits als Ware -entstehen für Programmkino-Macher zwei Reibungsflächen: mit der österreichischen Kulturpolitik und mit der Verleihpolitik einiger amerikanischer Filmfirmen.

Der staatliche Subventionsgeber spielt eine unglückliche Rolle. Einerseits scheint die Politik der Förderung gerade im Bereich der kleinen, oft in den roten Zahlen wirtschaftenden, Lichtspieltheater der Zufälligkeit überlassen. Andererseits signalisierte das Unterrichtsministerium in letzter Zeit Interesse, Österreichs Film- und Kinokultur verstärkt unterstützen zu wollen.

Das „Stadtkino“, seit 1981 kommunalsubventioniert, dervomBund geförderte Alternatiwerleih „filmladen“, der das „Votiv“ betreibt und die volkshochschuleigene „Stöbergasse“ finden mit ihren Mitteln das Auslangen. Damit endet aber die Landschaft der regelmäßig geförderten Abspielstätten in Wien.

Bundesländerkinos wie der „Ci-nematograph“ in Innsbruck erhalten von Bund, Land und Gemeinde Finanzhilfen, wobei sich allerdings das Ministerium als „subsidiäre“ Unterstützung versteht. Kenner der filmpolitischen Szene sehen darin eher ein „Abschieben der Verantwortung“. Horst Gerhartinger von der Abteilung Film des Unterrichtsministeriums sieht die erste Unterstützungspflicht beim Land, da es sich um ein „ortsspezifisches, kulturelles Ereignis“ handle.

Schließlich gibt es noch privat geführte Lichtspieltheater, die auch Programmkino-Charakter haben,aber als eigenständige wirtschaftliche Betriebe deklariert sind. Hier Uegt der Unterschied beispielsweise zum „Votiv“, dessen Inhaber „filmladen“ ein Verein ist und somit um Subventionierung einreicht. Die privat geführten Kinos können das nicht - oder wollen es nicht, wie Horst Gerhartinger glaubt. In Wien sind das: „Admiral“, „Bellaria“, „Erika“, „Movie“, „Schikaneder“, „Star“ und „Breitenseer Lichtspiele“. Erich Hemmelmayer, der die drei erstgenannten leitet, meint, die Situation sei „trist“ und macht damit die Behauptung Gerhartingers unglaubwürdig.

Bedenkt man, daß das „Erika“-Kino im Jahr 1900 eröffnet wurde und nach dem „Guinness-Buch der Rekorde“ das älteste noch existierende Kino der Welt sein soll, so stellt sich die Frage, ob es nicht aus historischen Gründen a priori förderungswürdig ist.

Anita Nitsch-Fitz, die Besitzerin der „Breitenseer Lichtspiele“, investiert ihr Gehalt als Mittelschulprofessorin ins Kino, um das jährliche Minus auszugleichen. Das Filmtheater gelte als „Liebhaberei“, eine steuerliche Abschreibung sei nicht möglich. Den Vorführer, der auch Geschäftsführer ist, bezahlt die Kinobesitzerin aus der eigenen Tasche. Die Gründe für dieses bemerkenswerte Durchhaltevermögen sind nostalgisch: Anita Nitsch-Fitz ist im Kino aufgewachsen, ihre Großmutter hat das „1. Nußdorf er Tonkino“ geführt

Die so entstandene Polarität zwischen subventionierten und nicht subventionierten Lichtspieltheatern wurde erstmals bei einer Arbeitstagung im Frühjahr überbrückt. „Man hat über die Grenze des eigenen Elends geschaut“, meint Michael Stejskal vom „filmladen“. Franz Schwarte vom „Stadtkino“ meint, „Treffen wie diese seien nur ein in Sicherheit wiegen der kleinen Kinos“. Bei dem Treffen wurde die Forderung nach einem Kinobeirat formuliert, der Einzelprojekte der Kinos und deren Jahresprogramm prämiieren soll, was laut Gerhartinger auf Zustimmung des Ministeriums rechnen kann. Die Forderung nach „speziellen Hilfen für Kinos außerhalb der Ballungszentren“ scheint dagegen noch offen. Daneben gibt es staatliche Unterstützung für den Umbau oder die Neueröffnung von Lichtspieltheatern, so wird das Wiener „Filmcasino“ als zweiter Saal der „ Stobergasse“ im September eröffnet. Dafür wurden im Vorjahr etwa 2,1 Millionen aufgewendet, eine Summe, die nicht glücklich machen kann.

Der zweite Konfliktpartner der Programmkinos sind die Filmverleihe. Wenn Programmkinos einen Filmklassiker spielen wollen, so scheitern sie nicht selten an der eigenartigen Verleihpolitik. Alljährlich vernichten Verleihfirmen zahlreiche Filmkopien, da deren Lagerhaltung zu kostenintensiv sei und außerdem vertraglich nach Auslaufen des Films eine Vernichtung der Kopien verein-lArcnivj bartseL Weitere Gründe dafür hegen im dunkeln.

Einige Programmkinos wollen — dem Trend entsprechend - auch immer wieder fremdsprachige Filme avisleihen und scheitern an den mächtigen Verleihchefs. UTP-Gene-raldirektor Erich Schlathau führt im Gespräch die Kostenfrage ins Treffen. Es brächte keinen Gewinn, Kopien mit hohen Frachtkosten für das einmalige Abspielen in einer Filmreihe zu importieren.

Subventionierte Programmkinos, die „dem Staat, also auch Ihnen und mir das Geld aus der Tasche gejubelt haben“, um, wie Schlathau meint, Filme zu präsentieren, die auch in den (verleiheigenen) Kinocenters gezeigt werden könnten, dürften nicht mit seiner Hilfe rechnen.

Hier wird die nur ökonomische Dimension des Filmgeschäftes deutlich, die in scharfem Kontrast zur ästhetisch orientierten Position der Initiatoren einer Programmkino-Kultur steht. Diese ideologische Kluft ist -für Österreichs Film- und Kinointeressierte bedauerlich — offenbar nicht zu überbrücken.

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