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Digital In Arbeit

Kirche am Bildschirm

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1. Von den Journalisten kann nicht verlangt werden, daß sie der Öffentlichkeit ein Bild der Kirche vermitteln, das fleckenloser, anziehender, vertrauenserweckender aussieht, als die Kirche sich selbst darbietet. Die Berufspflicht der Journalisten, so wahrheitsgemäß, so vollständig und so umfassend wie möglich zu berichten, gilt auch für die Berichterstattung über die Kirche.

Wenn das Verhältnis von Kirche und Öffentlichkeit gestört ist, können die Journalisten nicht allein’dafür verantwortlich gemacht werden. Sie können es auch nicht allein in Ordnung bringen.

2. Die Menschen, die nicht oder nur selten am Gottesdienst teilnehmen, wis

sen über die Kirche und ihr Leben hauptsächlich das, was sie aus den Medien erfahren. Da die meisten Zeitgenossen den Löwenanteil an der Zeit, die sie für die Nutzung von Medien aufwenden, vor dem Fernsehgerät verbringen, erfahren sie auch in erster Linie vom Bildschirm, was die Kirche jeweils tut, sagt, wünscht und erleidet.

Daher bedeutet es ein Alarmsignal, wenn es sich herausstellt, daß ein Drittel der für das Fernsehen tätigen Journalisten in der Bundesrepublik Deutschland sich bei einer Enquete im Jahre 1974 als „konfessionslos“ be- zeichnete; nach einer von der Medien- Gewerkschaft RFFU in Auftrag gegebenen Befragung waren es 1979 sogar 40 vom Hundert der Fernseh-Journali- sten.

3. Angesichts solcher Zahlen darf man sich über das allmähliche „Ausrinnen des Religiösen aus den Programmen“ nicht wundern. Das Fernsehen lebt von Bildern. Die kirchlichen Reformen der letzten Jahre sind den Bildern nicht günstig gewesen. Viele Kirchen wurden „entrümpelt“, um, wie es hieß, die Aufmerksamkeit für das Wesentliche zu stärken.

Lieder und Gebete wurden von Sentimentalitäten, Romantik und Kitsch gereinigt. Ein nur auf das Wort gestellter Rationalismus ist allenthalben vorgedrungen. Man braucht nur die neu im „Gotteslob“ verzeichneten Lieder für den Gemeindegottesdienst mit den nicht mehr ins Gesangbuch aufgenommenen zu vergleichen, um zu erkennen, um wieviel begrifflicher, abstrakter die Texte geworden sind. Von den Schulbüchern für den Religionsunterricht gilt ähnliches.

Mit neueren Bibelübersetzungen ist es nicht anders. Früher hat Maria „diese Worte in ihrem Herzen bewegt“. Jetzt „denkt sie darüber nach“. Das ist nicht nur ein Abstieg in die Sprache der Trivialität, das ist auch ein Abschied von bildhafter Rede.

Wie kann das Bildermedium Fernsehen, selbst wenn es wollte, von einer Kirche eher Notiz nehmen, die ihrerseits aus der Welt der Bilder auszusteigen scheint?

4. Die Massenmedien unseres öffentlich-rechtlichen Systems betrachten die Kirche-im Grunde mit denselben Augen wie jede andere gesellschaftliche Großgruppe. Sie bringen ihr kein Sonderwohlwollen entgegen, sie billigen ihr keine Privilegien zu.

Aber alle Journalisten sind bereit, über etwas Neues zu berichten. Mit diesem Neuen übernehmen sie oft auch die Interpretation, die sein Urheber mit ihm verbindet. Daher kann die Kirche auf ihre Vermittlerrolle zählen, wenn sie medienfähige Ereignisse hervorbringt und zugänglich macht.

Während seines Besuchs in der Bundesrepublik Deutschland haben 62 v.H. der Bevölkerung und 67 v.H. der Katholiken den Papst über das Fernsehen aus jener zugleich intimen und bedrohlichen Nähe erlebt, die nur die Kamera zur Massenerfahrung machen kann. Da waren mehr als vierzig Millionen Menschen, fast zehnmal so viele, wie es Teilnehmer an den öffentlichen Gottesdiensten des Papstes gab.

Skeptiker mögen einwenden, daß solche „Begegnungen am Bildschirm“ Augenblickssache blieben und zu nichts weiterem führten. Aber es waren doch 2 v.H. aller Befragten, die von sich selbst meinten, die Begegnung mit dem Papst habe etwas in ihnen verändert.

5. Was in der „öffentlichen Meinung“ vor sich geht, wird weit eher durch die Themen der Diskussion bestimmt als durch die unterschiedlichen Meinungen, die zu diesen Themen geäußert werden.

Wer bestimmte Themen ins Gespräch bringen, wer Ereignisse samt zugehöriger Interpretation publik machen, wer damit die Tagesordnung der „öffentlichen Meinung“

(mit)bestimmen will, braucht geeignete Instrumente. Eine gut ausgestattete kirchliche Nachrichtenagentur gehört dazu an erster Stelle.

6. Die vielberedeten „neuen Medien“ bedeuten für die einen Grund zur Hoffnung auf eine „kommunikative Gesellschaft“; die anderen schreckt die Vorstellung, daß nun die Wogen der Informationsflut über ihren Köpfen zusammenschlagen würden. Noch kann niemand mit Gewißheit sagen, welchen Gebrauch künftige Generationen von den neuen technischen Möglichkeiten machen, welche Systeme sich durchsetzen werden … Hier bedarf es einer wohlüberlegten Beteiligung.

7. Eine Reihe betrüblicher Erscheinungen kann man unter dem Stichwort „katholischer Provinzialismus“ zusammenfassen. Die eigenen Probleme erscheinen oft riesig, ja unüberwindlich, während die wirklich großen Fragen gar nicht ins Blickfeld treten.

Über das unerfüllte Begehren nach „Interkommunion“ regen sich katholi

sche Christen heftig auf, während sie von der realen Anwesenheit einiger Hunderttausend griechisch-orthodoxer Christen im Lande nicht die geringste Notiz nehmen. Fragen wie die Handkommunion oder die Ministrantinnen bewegen die Gemüter, während in der Weltkirche die jahrhundertelange Vorherrschaft des Abendlandes zu Ende geht und einem Gleichgewicht der Kontinente mit der Tendenz zum Uberwiegen Lateinamerikas weicht.

Um diesen Provinzialismus zu überwinden, sollte vor allem die Kenntnis fremder Sprachen und anderer Länder nach Kräften gefördert werden. (Nichts macht übrigens einen Journalisten in seinem Beruf so krisenfest wie gute Sprachenkenntnisse!)… Am wirksamsten ist wohl der Austausch auf beruflicher Ebene.

J 8. Zu den schmerzlichen Erfahrungen der Papstreise nach Deutschland gehört es, daß die Nacharbeit nicht früh genug beginnen kann. Wenn der Papst wieder fort ist, fängt es für die Ortskirche wieder an, schwierig zu werden. Da meldet sich die Realität in ihrer alten Widerständigkeit zu Wort. Viele verfahren dann nach dem Muster; Der Papst war ja schon gut, aber unsere Bischöfe!

Warum sind sie nicht so wie er, so menschlich, so herzlich, so offen, so bescheiden? Daß die graue Werktäglich- keit der Gemeinde gegen die (verklärende) Erinnerung an die Festtage des Papstbesuches ausgespielt wird, teils ganz naiv, teils mit wohlüberlegter Raffiniertheit, läßt sich nicht vermeiden, wohl aber voraussehen.

Schon in der Ankündigung des Besuchs und in der Gestaltung seiner Modalitäten kann darauf Rücksicht genommen, müssen die Argumente des „Morgens danach“ aufgefangen werden.

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