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Kirche der Zukunft in den Gemeinden?

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Das Schlagwort „Gemeindekate­chese“, das als unklarer Sammelbegriff für alles, was irgendwie mit Gemeinde einerseits und Katechese (verstanden als eine Etappe im Gesamtprozeß, Christ zu werden) andererseits zu tun hat, durch die Köpfe der Seelsorger, Pfarrgemeinderäte, Mitglieder der Apostolatsgruppen geistert, sollte bei der diesjährigen Pastoraltagung in Wien-Lainz Ende Dezember erhellt, in­haltlich gefüllt und auch abgegrenzt werden.

Über 400 Teilnehmer aus ganz Österreich, der Bundesrepublik Deutschland und vor allem aus dem Osten (Ungarn, Polen, Jugoslawien, der Tschechoslowakei und der DDR), Priester ebenso wie Ordensleute und Laien, Bischöfe, Pfarrer und Theolo­gieprofessoren, hatten, ausgehend von den Referaten, Gelegenheit, in Arbeits­kreisen zu rund 20 Realisierungsansät­zen von Gemeindekatechese zu disku­tieren und ihre eigenen Erfahrungen miteinander zu vergleichen.

Daß diese zwei Tage bewußt auch noch Raum fürs freundschaftliche Ge­spräch, für den Kontakt gerade auch mit den Gästen aus dem Osten lassen, ist nicht unwichtigster Zweck der Ver­anstaltung!

Was versteht der Fachmann nun tat­sächlich unter Gemeindekatechese - und hat dies dann auch etwas mit dem konkreten Leben in den Gemeinden zu tun? Adolf Exeier, Pastoraltheologe in Münster, nennt die Dialogfähigkeit des eigenen Glaubens und seine daraus re­sultierende Tragfähigkeit für den ein-, zelnen wie für die Gemeinde als Basis, die dann gemeinsamer Hintergrund für jeweils sehr verschiedenes Verhalten in den aktuellen Situationen sein wird.

Diese Dialogfähigkeit beruht auf der ganz subjektiven Entdeckung der Be­deutung der einzelnen Glaubenswahr­heit für den einzelnen persönlich. Ei­gene Lebenserfahrung soll an den kirchlichen Glaubensformeln gemes­sen, an diese stufenweise angenähert werden - ein Prozeß, der nie zum Ab­schluß kommt.

Daß dabei die Sprache der Verkündi­gung und unsere eigene Fähigkeit, von und mit Gott zu sprechen, eine wesent­liche Rolle spielen, muß wohl nicht ex­tra betont werden. Eine ganz große Ge­fahr besteht in der zunehmenden Unfä­higkeit der Gläubigen, ihren Glauben zu artikulieren, in deren Verstummen.

Miteinander sprechen ist die Grund­lage des Vermittelns von Glauben und die Basis für das Zugehen auf den ande­ren. (Die Angst vor einer „schwätzen­den“ Kirche sollte daher nicht zu groß sein!)

Wenn jedem Gläubigen eine eigene „Glaubensbiographie“ zukommt, dann muß selbstverständlich auch bei den einzelnen Gliedern einer Pfarrge­meinde eine je eigene „Glaubensbio­graphie“ vorausgesetzt werden.

Die Pfarrgemeinde wird erst dann wirklich zur Gemeinde, wenn sie dem

einzelnen Lebenshilfe zu leisten ver­sucht, wenn er durch sie für den Zu­spruch Gottes offener wird. Die Ge­meinde wird daher bei den Entschei­dungssituationen im Leben des Chri­sten - und das sind unter anderem die Zeitpunkte bestimmter Sakramenten­spendungen - ansetzen und dort mit ih­rer Katechese beginnen. Grundsätzlich ist jedes Gemeindemitglied in der Lage, durch die Bezeugung seines Glaubens an der Katechese der Gemeinde mitzu­wirken.

Karl-Heinz Schmitt, Katechetiker und Erwachsenenbildner aus Köln, sieht eine auf solche Weise geübte Ge­

meindekatechese als ein Dienstangebot der „ausgestreckten Hände“, das über einen gewissen Zeitraum, häufig eben als Sakramentenkatechese, versucht, Gläubige für die Deutungsbedürftigkeit menschlichen Lebens sensibel zu ma­chen und ihnen die christliche Ge­meinde als Ort für das Deutungsange­bot Jesu Christi zu vermitteln und so auf den Empfang der Sakramente bei­spielsweise der Firmung oder der Ehe oder auch von Erstkommunion, Erst­beichte und Taufe, vorbereitet.

Daß dieses Tun eher das Gespräch, die Suche eines Weges zueinander vor­aussetzt als die Wissensvermittlung an Hand von Arbeitsmaterial, und daß an solche ausdrücklich in der Gemeinde­katechese Tätige besondere Anforde­rungen in bezug auf Eignung und Fä­higkeiten gestellt werden müssen, ist dann nur selbstverständlich.

Der Vorwurf an die Gemeindekate­chese, sie verursache eine weitere Ar­

beitsüberlastung der Priester, ist nach Meinung des Pastoraltheologen Exeier mit dem Hinweis auf die zu erwartende Entlastung der Priester durch den Übergang von einer versorgten zu einer engagierten und daher selbständigen Gemeinde zumindest längerfristig zu entkräften.

Wilhelm Zauner, Pastoraltheologe in Linz, sieht in der Sonntagsfeier der christlichen Gemeinde eine Form der Katechese für die Gesellschaft über­haupt. Die Bedeutung der Sonntags­feier, die vom alttestamentlichen Tradi­tionsgut des siebenten - arbeitsfreien - Tages ausgeht und damit bereits den Menschen als Person über seine Ein­schätzung als Arbeitskraft hinaus wer­tet, wird als Gedächtnistag von Jesu Auferstehung zentrales Glaubensgut der Christen.

Allein die Tatsache des regelmäßi­gen Zusammenkommens der Gläubi­gen mit seiner provozierenden Aussa­gekraft, daß dies weiters in feiernder Weise jeweils am Sonntag geschieht und daß dabei eben Eucharistie gefeiert wird, sollte die Christen zum tieferen Bewußtsein des Wertes dieser Feier als Be-Sinnung des Lebend bringen. Der Wert des Feierns ebenso wie die Fähig­keit zu feiern sollte von den Christen wieder mehr gelernt und geschätzt wer­den, meinte Zauner.

Am Beginn der österreichischen Pa­storaltagung waren Ausführungen des Grazer Bischofs Johann Weber zur Si­tuation der Pastoral gestanden, die be­sonders die Bedeutung des Bistums als einen „pastoralen Blutkreislauf in der Diözese“, die Gefahr der Verabso­lutierung der Gemeinde gegenüber der Pfarre, die Fragwürdigkeit der „Volk­gerechtigkeit“ solcher Gemeinden mit ihrer zu großen Betriebsamkeit und ih­rem aufkeimenden Egoisfnus hervorho­ben.

Dem Wiener Pastoraltheologen Jo­sef Müller kam die Aufgabe zu, einen Ausblick auf das gemeindekatecheti- sche Programm für die achtziger Jahre zu versuchen. Er zitierte den Papst:

„Gläubige bezeugen den Glauben, indem sie ihn an andere weitergeben.“

Eine Prioritätensetzung müßte nach Professor Müller in erster Linie in der Ausgestaltung der verschiedenen For­men der Erwachsenenkatechese beste­hen, weiters in der Ausbildung und Be­gleitung der Mitarbeiter, in der Einfüh­rung in das Mitleben mit den Gläubi­gen, in der Lebensdeutungsfunktion und in einer Überwindung der inner­kirchlichen Perspektive zugunsten des Horizonts einer Kirche für die Welt.

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