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Kirche und Kunst

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Als Folgeband zu dem 1984 erschienenen Buch „Menschenbild-Christusbild“ brachte der Verlag Katholisches Bibelwerk Stuttgart das Werk „Mythos und Bibel“ heraus, für das dieselben Autoren, Franz Joseph van der Grinten und Friedhelm Men-nekes, zeichnen. Wie bei der ersten Publikation ordnet der Untertitel „Auseinandersetzung mit einem Thema der Gegenwartskunst“ das Buch näher ein. Sein Aufbau entspricht dem des ersten Bandes. Je ein Aufsatz der genannten Autoren rahmt einen Block von monographischen Ka-

piteln: Friedhelm Mennekes hat mit sechzehn Künstlern Interviews geführt, die mit Bildbeispielen und einer „Werkwürdigung“ ergänzt werden. Bischof Georg Moser, Rottenburg-Stuttgart, und Wieland Schmied, Berlin, haben Vorworte zudem aufwendig ausgestatteten und vorzüglich gedruckten Werk verfaßt.

Auch im Titel greift das zweite Buch auf das erste zurück, nämlich in seiner Doppelpoligkeit. Das Schwergewicht liegt allerdings vom Inhalt her gesehen fraglos auf dem ersten Wort: Mythos. In unserem „mehr und mehr inhaltslosen Gesellschaftssystem und seiner modernen Logik“, diesem System, „das nur sein eigenes, aber leerbleibendes Funktionieren feiert“ (Mennekes), sind immer mehr Versuche zu beobachten, dem Sinndefizit entgegenzuwirken. Dieses Bemühen, das auf allen Ebenen zu konstatieren ist, findet sich auch in der Kunst, ja gerade hier. Und was sich da abzeichnet, wird mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt.

Der Grund; hierfür liegt, wie Wieland Schmied einleitend zu Recht betont, auch darin, daß wir seit dem 19,. Jahrhundert -ipder Kunst so etwas wie eine Ersatzreligion suchen. Dementsprechend hoch sind die Ansprüche und Erwartungen an die Kunst und die Künstler. Das wiederum führt dazu, daß der moderne Künstler „zuerst eine, seine Theorie der Kunst schaffen muß — ob er sie nun niederschreibt oder nur im

Kopf hat -, ehe er hoffen darf, erfolgreiche Werke hervorzubringen“, schreibt Schmied.

Entscheidend ist also die Theorie. Das eigentliche Produkt wird oft zur Nebensache.

Dieser theoretische Ansatz prägt auch das hier vorgestellte Buch. So sind die Beiträge van der Grintens und Mennekes' zwar von Bildern durchsetzt, auf sie nimmt der Text aber (mit einer Ausnahme) nicht Bezug. Umgekehrt werden zahlreiche Werke beschrieben, das heißt ihre ideenmäßige Konzeption wird referiert; abgebildet sind sie nicht. Daraus wird klar: Handbuch ist dieses „Mythos und Bibel“ keines.

Wiewohl der zweite Teil des Titels „Bibel“ heißt, berühren die Beiträge und Werke diesen Bereich nur selten. Das spricht für sich. BJbel/Christentum erscheint hier bloß als ein Mythos unter vielen tradierten Mythen, die gelegentlich von einzelnen Künstlern aufgegriffen werden. Die Aneig-

nung erfolgt dabei auf den verschiedensten Ebenen: Punktuell fließt Christliches in das Konzept ein, sporadisch tauchen Symbole, Figuren, Kompositionsschemata auf.

Weit gefehlt wäre es anzunehmen, daß das immer einen bewußten und gewollten Rückgriff bedeutenwürde. Deutlich erscheint, daß sich zwischen der christlichen Tradition und der heutigen Auseinandersetzung mit ihr — von Ausnahmen abgesehen — eine gewisse Zäsur gebildet hat. Also kann auch die Relation zwischen Kunst und Kirche, die in den letzten zwei Jahrhunderten mehr und mehr zerbrochen ist, nur wieder zustande kommen als Folge einer

neuen und fundamentalen Reflexion auf beiden Seiten. Soferne das Ergebnis dieses reflektorischen Bemühens das Erkennen sein sollte, daß Kunst und Kirche einander in wichtigen Fragen berühren, wird diese Beziehung erneut und mit Erfolg zustande kommen.

Das bloße Warmhalten und Aufwärmen eingefahrener Schemata und ihre zögernde „Modernisierung“ können nur eines weiter und weiter gebären: Devotio-nalkitsch. Umgekehrt wäre es aber auch freilich _falsch, wollte man das, was die beiden Autoren hier vorstellen, voreilig schon als die Lösung des angesprochenen Problems ansehen.

An diesem Punkt soll abschließend noch eine kritische Bemerkung angebracht werden.

Wie die Autoren einleitend betonen, war die Auswahl der Künstler „eher assoziativ als systematisch“. Uberblick ist hier keiner angestrebt. Von Ewald Ma-tare und Louis Soutter abgesehen handelt es sich durchwegs um lebende Künstler, um Europäer, hauptsächlich um Deutsche. Soweit, so gut. Anzukreiden ist der Publikation aber, daß auch die Organisation der monographischen Kapitel eher „assoziativ als systematisch“ erfolgte. Das Material reicht immerhin von den zwanziger Jahren bis in die Gegenwart, aber die abgebildeten Werke sind nicht chronologisch gereiht, und zudem fehlen gelegentlich die Daten in den Bildunterschriften.

So lassen sich Entwicklungen und neue Tendenzen nur schwer herauslesen; das betrifft das (Euvre. des einzelnen Künstlers, wie die Gesamtsituation. „Auseinandersetzung mit einem Thema der Gegenwartskunst“ hieße aber auch, diese aus ihren Bedingungen, aus ihrem Gewordensein begreifen.

Die notwendige Reflexion in Kirche und Kunst ist das Thema eines von Mennekes herausgege-

benen Buches mit dem Titel „Zwischen Kunst und Kirche“. Die fünfundzwanzig Beiträge geben Vorträge und Ansprachen wieder, die die achtzehnteilige Ausstellungsreihe „Menschenbild-Chri-stusbild“ in Frankfurt, Frankfurt-Nied und Wiesbaden begleitet haben. Zusammenfassende Beiträge umrahmen einen Block von Miszellen, die sich mit einzelnen Künstlern, unter anderen auch mit den Österreichern Alfred Hrdlicka und Arnulf Rainer, beschäftigen.

Das große Verdienst dieses Sammelbandes liegt in der Offenheit, mit der das gegenwärtige

„Der Herausgeber zeigt Verständnislosigkeit, Angst und Vorurteile auf beiden Seiten“

Verhältnis zwischen Kunst und Kirche angesprochen ist. So zeigt der Herausgeber, der Jesuit Mennekes, ohne Schonung die Verständnislosigkeit, die Angst und die Vorurteile auf beiden Seiten auf. Erst diese Diagnose schafft schließlich die Vorbedingung für eine Bewältigung des Problems.

In der Tatsache, daß Kunst und Kirche gleichermaßen nach Antworten auf die Grundfragen der Menschen suchen, sieht Mennekes die Möglichkeit zu einer neuerlichen Verknüpfung, wobei allerdings .jeder Versuchung einer gegenseitigen Vereinnahmung zu widerstehen“ ist.

Zu hoffen bleibt also auf eine Diskussion, wobei — mit Karl Rahner - die bildende Kunst als eine eigenständige Selbstaussage des Menschen, ja eine eigene Form der Theologie zu begreifen wäre.

MYTHOS UND BIBEL. Von Franz Joseph van der Grinten und Friedhelm Mennekes. Verlag Kath. Bibelwerk, Stuttgart 1985. 340 Seiten, 45 Färb- u. 65 Schwarzweiß-Abb.. geb., öS 452.-.

ZWISCHEN KUNST UND KIRCHE. Herausgegeben von Friedhelm Mennekes. Verlag Kath. Bibelwerk, Stuttgart 1985. 280 Seiten, kart.. öS 76.40.

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