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Kirche und Millennium

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1983 fand der bisher letzte Katholikentag in Österreich statt. Die Meinungen, ob ein solches Ereignis wieder fällig wäre und zu den „Ostarrichi"-Feiern von 1996 passen könnte, sind geteilt.

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1983 fand der bisher letzte Katholikentag in Österreich statt. Die Meinungen, ob ein solches Ereignis wieder fällig wäre und zu den „Ostarrichi"-Feiern von 1996 passen könnte, sind geteilt.

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Seit 1952 wurden alle zehn Jahre in Osterreich Katholikentage veranstaltet, einmal als Großveranstaltung, ein anderes Mal als Delegiertenversammlung. Seit dem letzten Katholikentag haben sich in der Kirche und in der Welt dramatische Änderungen eingestellt. Von den Aufbrüchen des Katholikentages 1983 ist nach außenhin nicht mehr viel spürbar. Teilweise ist Enttäuschung vorhanden, weil die Offenheit der Kirche, die dort gelebt und dargestellt wurde, nicht eingehalten wurde. Auf österreichischer Ebene ist kaum mehr eine gemeinsame Anstrengung der katholischen Kir1 che möglich. Auch die Bischofskonferenz kann nicht mehr verdecken, daß sie sich schwer tut, einen gemeinsamen Nenner finden. Außerhalb der etablierten katholischen Laienorganisationen bilden sich immer mehr Foren. Diese Einrichtungen fühlen sich klar unabhängig und sind auf die Brosamen der Institution Kirche nicht angewiesen. Solche Entwicklungen werden sich in Zukunft noch mehr entfalten.

Angesichts dieser Situation scheint es mir bedenkenswert, in den nächsten Jahren auf gesamtösterreichischer Ebene eine Gesprächsplattform einzurichten, zu der alle, die mit der katholischen Kirche leben, zusammenkommen. Es besteht vielfach die Meinung, daß wir zu einem solchen Vorgang nicht mehr die Kraft hätten. Diese Meinung ist ein böses Signal der Resignation.

Wenn wir Pluralismus leben wollen, und wir haben ihn auch in der Kirche (Gott sei Dank!), dann müssen wir die Strapaz auf uns nehmen, unsere gemeinsamen Fundamente freizulegen. Ob das mit 1996 verbunden wird oder auf das Jahr 2000 hin angelegt wird, ob als Massenveranstaltung oder nicht, das erscheint mir nicht wichtig, im Vordergrund steht das Gemeinsame der Kirche in Österreich. Ein solcher Gesprächsprozeß auf breitester Ebene scheint mir notwendig, weil in den nächsten Jahren in der Gesellschaft Fragen anstehen, die auch einer gesamtösterreichischen Position der Katholiken bedürfen. Wenn wir nicht neue Infrastrukturen aufbauen und alte womöglich verfallen lassen, werden wir ins Ghetto abgedrängt werden.

Der autor war Präsident des Katholikentages 198} und ist Bildungshausleiter

Was ist geblieben vom Motto „Hoffnung leben - Hoffnung geben"? Es wäre die Anstrengung wert, gemeinsam zu versuchen, wieder aus diesen Quellen zu schöpfen!

Anlaß einer solchen Anstrengung könnte der Beginn eines neuen Millenniums genau so sein wie die erstmalige Erwähnung von „Ostarrichi" vor 1000 Jahren oder das 50jährige Bestehen unserer Republik. Eine solche Besinnung auf die eigenen Wurzeln kann wohl keine sein, die Katholiken allein bewerkstelligen. Wohl aber können die Katholiken die Initiative ergreifen und möglichst viele zum Mitdenken, Mittun und Mitfeiern einladen.

Daß es dazu eines langfristigen Gesprächsprozesses bedarf, ist klar. Positive Erfahrungen mit solchen Prozessen gibt es: Diö-zesansynoden und -foren, den österreichischen Sozialhirtenbrief und den „Dialog", der den „Tag der Steiermark" 1993 vorbereitete.

Der Höhepunkt (nicht Schluß-punkt!), dem ein solcher Prozeß zustrebt, muß keineswegs eine große Massenveranstaltung sein.

So wie ein Fluß das Grundwasser speist, aus dem 1000 Brunnen Wasser nehmen und spenden, so könnte ein Vorgang 1000 gleichzeitiger Feste und Begegnungen, getragen vom selben gemeinsamen Wollen, sehr nachhaltige Wirkung haben und einen neuen Aufbruch nicht nur für die katholische Kirche, nicht nur für die Christen, sondern für alle, die in diesem Land miteinander leben, bedeuten.

Die Verfasserin ist Präsidentin der

Katholischen Aktion Österreichs

Wenn Österreich 1996 seine Tausendjahrfeier begeht, werden die Christen als Bürger mitfeiern. Werden sie auch als Kirchen mitfeiern oder den Eindruck erwecken, sich als Kirchen nicht mit der Geschichte Österreichs zu identifizieren? Das wäre ein Wegstehlen aus der Geschichte. Denn die Kirchen haben wie wenige Kräfte das Selbstverständnis dieses Landes und seiner Bevölkerung geprägt.

Darum ist es von der Zeit gefordert, daß Österreichs Christen die Tausendjahrfeier mit einem ökumenischen Kirchen- oder Christentag begehen. Reformation, Protestantenvertreibung, Toleranzpatent und Protestantengesetz gehören wie die lange Anwesenheit orthodoxer Christen neben dem katholischen Grundmuster zur Geschichte Österreichs. Mit Dank und Lob, aber auch mit Schuldbekenntnis und Wiedergutmachung gemeinsam in versöhnter Verschiedenheit den Weg in das kommende Jahrtausend zu beginnen, würde einen ökumenischen Christentag auch ohne Tausendjahrfeier rechtfertigen.

Sollten die Konfessionen ihren Beitrag zum Österreichsein allein bedenken wollen, gäbe es für die Katholiken drei Möglichkeiten: .

Die schlichteste wäre, daß die Diözesen des Kernlandes (Wien, St. Pölten, Linz) sich zu einem gemeinsamen Katholikentag treffen. Üblich und auch wieder fällig wäre ein gesamtösterreichischer Katholikentag. Aufregend könnte an der Schwelle des dritten Jahrtausends ein mitteleuropäischer Katholikentag sein.

Der autor ist Pfarrer von Mödling

Eduard Ploier formuliert: „Es wäre sicherlich nachdenkens-wert, ob für die Kirche Österreichs nicht eine neue gemeinsame Anstrengung sinnvoll wäre." Der St. Pöltner Diözesanbischof Kurt Krenn hat schon im Vorjahr einen Papstbesuch zur 1000-Jahr-Feier in Österreich angeregt. Der Papst innerhalb von 13 Jahren dreimal in Österreich! Wir sollten bescheidener sein, denn es gibt bestimmt Regionen in der Welt, die einen Papstbesuch notwendiger hätten. Der Besuch Johannes Pauls II. in Österreich läßt sich in seiner Wirksamkeit nicht beliebig oft wiederholen. Außerdem hat sich seit 1983 viel verändert. Die Kirche gilt nicht mehr als so gesprächsfähig und tolerant wie vor zehn Jahren.

Ploier hat recht, wenn er sagt: „Ich glaube, wir müssen alles tun, damit der Kirche Österreichs die befreiende, vertrauensstiftende, mutmachende, solidarische, zärtliche und radikale Kraft der Liebe nicht verdunstet." Ob diese Zielsetzung durch einen Katholikentag mit oder ohne Papstbesuch erreicht werden kann, ist mehr als fraglich.

Außerdem: Was für eine Kirche würde sich heute präsentieren? Es wird doch niemand glauben, daß die anstehenden Probleme in ein paar Jahren beseitigt werden können. Wäre es nicht sinnvoller, einige Jahre das Hauptgewicht der Pastoral auf die Pfarren zu verlegen?

Wenn es in jahrelanger Arbeit gelänge, einigermaßen die notwendige Einheit in der erlaubten und möglichen Vielfalt zu erreichen, dann könnten wir ein Fest feiern.

der verfasser ist Prälat im Burgenland

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