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Kirche und Papst

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Was die Frage des primatialen Anspruchs des römischen Bischofs, des Papstes und seiner, unter bestimmten Bedingungen unfehlbaren Lehrautorität angeht, so ist zu sagen, daß dem Papst als dem sichtbaren Haupt der Kirche nur diejenigen Prärogativen zugeschrieben werden, die der Kirche als solcher nach dem katholischen und dem vorreformatorischen Glaubensverständnis eindeutig zukommen.

Daß die Kirche als solche in einem Konzil mit einer letzten, irreversiblen, das Gewissen des Christen verbindlich normierenden Autorität sprechen kann, darüber kann ja für die vorreformatorische Kirche kein Zweifel sein. Die alten Konzilien wurden in dieser Weise als definitive, nicht mehr revidierbare, wenn auch nach vorn sich entwickeln könnende Lehre der Kirche betrachtet und als für das Gewissen des glaubenden Christen verbindliche Normen. Infolgedessen ist hinsichtlich der Lehrautorität des Papstes nur die Frage, ob eine solche Autorität, die in der Kirche nach dem vorreformatorischen Glaubensverständnis gegeben war, nun auch dem Papst als solchem zukommen könne …

Das Dogma dęs Ersten Vatikanischen Konzils aber bedeutet gar nichts anderes, als daß ein Satz, der von der Kirche, von den ökumenischen Konzilien im katholischen Glaubensverständnis schon immer gegeben war, vom Papst ausgesagt wird. Hier ist zu sagen, daß eine theologische Schwierigkeit, einer bestimmten Einzelperson eine solche Funktion in der Kirche zuzuschreiben, nicht größer ist, als wenn man sie dem Konzil oder dem Gesamtepiskopat zuschreibt - vorausgesetzt, daß der Papst immer als die handelnde Spitze, als die das Gesamtkollegium repräsentierende Person betrachtet wird.

Hier gleichsam demokratische Bedenken eintragen, ist für die Kirche und für das, worum es sich hier handelt, fehl am Platz. Eine große Zahl von Bischöfen repräsentiert und garantiert hinsichtlich dieser letzten Entscheidung in den Fragen des Glaubens, die das letzte innerste Gewissen eines Menschen treffen sollen, ganz gewiß nicht mehr an Wahrheit und Unfehlbarkeit als eben eine einzelne Person - vorausgesetzt nur, daß man den Gesamtepiskopat auf einem Konzil oder den Papst als sogenannte Einzelperson immer nur als die Konkretheit der konkreten Kirche sieht, die nicht durch die Fähigkeit, die Intelligenz, die theologische Bildung von Menschen, sondern durch den

Geist Christi in dieser eschatologi- schen Wahrheitswirklichkeit gehalten wird.

Sieht man das so, dann darf man letztlich sagen, daß eine personale Spitze der synodalen, kollegialen Repräsentation auch das menschlich Sinnvollere und Naheliegendere ist. Natürlich hat eine solche Autorität des Papstes, menschlich gesehen, immer ein ungeheures Risiko. Sie steht gleichsam auf der scharfen Schneide zwischen menschlicher Fehlbarkeit, Endlichkeit, . Geschichtlichkeit.; einerseits und der Macht des Geistes Christi, der die Kirche in und trotz ihrer Menschlichkeit in seiner Wahrheit bewahrt.

Aber das gilt für die Kirche als ganze auch. Denn die Summe von Menschen macht den Menschen und die Menschheit nicht weniger menschlich, als der einzelne es schon ist, da es sich ja hier nicht um eine kollektive "Wahrheitsfindung handeln kann, in der grundsätzlich, wirklich von der Sache her, mehr Leute eine größere Chance an Wahrheitsfindung haben als ein einzelner. Denn hier handelt es sich um die Gabe des Geistes an die Kirche …

Wenn es in der Kirche eine solche letztverbindliche Lehrautorität gibt und geben kann, dann ist ein theologischer Grund, im Namen des Christentums gegen einen personalen Träger einer solchen Vollmacht zu protestieren, nicht vorhanden.

Das ergibt sich ja auch aus der Beobachtung, daß schon Luther und erst recht moderne evangelische Theologie nicht eigentlich nur dem Papst, sondern ebenso dem Konzil oder einer sonst greifbaren, handlungsfähigen Autorität in der Kirche die Möglichkeit einer solchen absoluten Bindung des Glaubensgewissens absprechen. Damit aber wird die Differenz zwischen den verschiedenen Christenheiten der Gegenwart aus einer erst durch das Vaticanum entstandenen Differenz in Wirklichkeit zu einer Differenz, die zurückdatiert werden muß weit hinter die Zeit der Reformation …

Wenn die Kirche eine ist und wenn die Einheit trotz der Vielfalt der episkopalen Ortskirchen eine ist und als diese eine deswegen auch eine handlungsfähige Spitze hat und haben muß, dann kann auch hinsichtlich der eigentlichen Primatialgewalt des Papstes im Unterschied von der Lehrautorität des Papstes kein grundsätzlicher Protest möglich sein im Namen des Christentums.

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