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Kirchenbauten mit Geschichte und Geschichten

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Natürlich ist Sopron, das frühere Ödenburg, mit seinem ebenso bekannten wie berühmten Stadtturm einen Besuch wert. Im Dunstkreis der Stadt kann man aber durchaus noch mehr (wieder-)entdecken.

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Natürlich ist Sopron, das frühere Ödenburg, mit seinem ebenso bekannten wie berühmten Stadtturm einen Besuch wert. Im Dunstkreis der Stadt kann man aber durchaus noch mehr (wieder-)entdecken.

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Nur wenige Kilometer außerhalb von Ödenburg (Sopron) liegt der kleine Ort Köphäza staubig und grau in der Sommersonne. Links und rechts der Straße flirrt die Luft in der Hitze. Am Südende von Köphäza liegt die Gnadenkirche „Unserer lieben Frau”, ein weiß gekalkter Barockbau. Im schlichten Kircheninneren findet man das Marien-Gnadenbild, das die Geschichte des Wallfahrtsortes erklärt. (Kirche und Kircheninneres sind tagsüber frei und zugänglich).

Die Geschichte des Gnadenortes ist mit der der Familie Nädasdy verknüpft. Im Jahre 1664 hatte sich der Landesrichter Ferenc Nädasdy mit seiner Familie im heutigen österreichischen Deutschkreuz niedergelassen. Sie hatten 16 Kinder, eines davon, Eleonore, war von Geburt an schwach und kränklich. Die größte Freude des kleinen Mädchens bestand darin, daß man sie in die Kapelle im Wald von Köphäza, die man Maria zu Ehren errichtet hatte, brachte. Dort betete das Mädchen vor der Schwarzen Madonna um ihre Heilung.

Als Eleonore vierzehn Jahre alt geworden war, gelobte sie „daß ich auf die Freuden der Welt verzichte und mich ins Kloster zurückziehe und nur Gott diene!” Eleonore wurde bald darauf völlig gesund.

Sie bereitete sich auf die Einhaltung ihres Gelöbnisses vor, aber ihre Eltern hatten andere Pläne: sie wollten sie einem jungen Landadeligen zur Frau geben. Trotz inständiger Bitten des Mädchens blieben die Nädas-dys unerbittlich. Die Hochzeit wurde festgesetzt. Das Mädchen war unglücklich, ihr Gelöbnis vor Gott nicht einhalten zu können. Sie bat ihn, da sie das Gelöbnis nicht einhalten könne, sie zu sich zu nehmen. Nach der Heirat in der Kirche versammelte sich die Hochzeitsschar im Tanzsaal des Schloßes. Eleonore hatte sich trotz Unwillens der Eltern zurückgezogen und betete in einer Fensternische. Da zog plötzlich ein Gewitter auf, ein Blitz schlug ein, und tötete Eleonore.

Die heutige Gnadenkirche von Köphäza wurde auf Fürbitten des Pfarrers Pal Behovsits errichtet und im Jahre 1772 geweiht. Zum Bau der Gnadenkirche trug Graf Antal Sz6-chenyi, der Gutsherr von Köphäza mit einer beträchtlichen Summe bei.

In unmittelbarer Nähe stößt man auf den Flecken Sopronhorpäcs mit einer bemerkenswerten kunsthistorischen Rarität: eine wunderschöne romanische Kirche aus der Wende des zwölften zum 13. Jahrhunderts. Mit seinen sieben Säulenpaaren ähnelt der romanische Bau sehr der Abteikirche von Jäk (FURCHE 28/ 1993). In den letzten Jahren wurden interessante Fresken in der Apsis der Kirche freigelegt.

Unweit davon, am Nordende von Sopronhorpäcs, erhebt sich ein Jagdschloß des großen Ungars Istvan Szechenyi, der wegen seines liberalen Denkens und seiner Reformen im 19. Jahrhundert von den Magyaren besonders verehrt wurde - aber das ist bereits eine andere Geschichte. Das Schloß ist zwar nicht zu besichtigen, dafür aber ein Arboretum aus dem 18. Jahrhundert, das vom Forschungsinstitut für Zuckerrübenanbau weiter betrieben wird.

Nationalität und Konfession

Auf eine völlig andere christliche Kultur stößt man in dem kleinen Ort Nemesker südöstlich von Sopron. Mitten im Zentrum des verschlafenen Dorfes, anfangs gar nicht leicht zu finden, steht ein bemerkenswertes Denkmal lutherischer Kultur in Ungarn: die protestantische Kirche von Nemesker. Ein schlichterBau aus dem Jahre 1732 mit der Original-Holzeinrichtung, die liebevoll gepflegt wird. Die ständige Ausstellung des Evangelischen Landesmuseums gibt einen eindrucksvollen Überblick über die Geschichte der Reformation in Trans-danubien, das Wirken Luthers und Melanchthons, sowie über die mittelalterliche und neuzeitliche religiöse Kultur der Umgebung.

Der Protestantismus in Ungarn begann sich parallel mit der drohenden Türkengefahr des 16. Jahrhunderts auszubreiten. Nach der türkischen Eroberung des östlichen Landesteils setzte sich auch in Oberpan-nonien und Westungarn die Reformation durch.

Die zunächst lutherische Form, die von Deutschland ihren Ausgang genommen hatte, machte allmählich dem Calvinismus Platz. „Wer sich als Ungar fühlte, wurde Calvinist. Nationalität und Konfession deckten sich. Aus dieser Verbindung entstand ein Bollwerk gegen Türken, Katholiken und Orthodoxe” (Herbert Gottschalk, 1970).

Die nationale Beeinflussung, die letztlich unter dem Mantel des neuen Bekenntnisses erfolgte, erforderte aber eine Umstellung von der lateinischen auf die ungarische Sprache. Die Folge waren die ersten gedruckten Schriften in ungarischer Sprache, an der Spitze die von Caspar Käroly 1590 fertiggestellte Bibelübersetzung. Zur Verbreitung trug eine Druckerei in Unga-risch-Altenburg (FURCHE 28/1993) bei, die hier seit Mitte des 16. Jahrhunderts bestand.

Als sich von Österreich die Gegenreformation ausbreitete, kam das westliche Ungarn unter den Einfluß der von Kaiser und König geförderten Jesuiten. Innerhalb von wenigen Jahrzehnten wurden in diesem Landesteil dann wieder dreißig ungarische Adelsfamilien dem Katholizismus zurückgewonnen.

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