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Kirchenkampf in Nikaragua

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Zuerst gingen Nikaraguas Sandinisten gegen protestantische Gruppen vor, nun mehren sich die Spal-tungsversuche und Maßnahmen gegen die katholische Kirche des Landes.

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Zuerst gingen Nikaraguas Sandinisten gegen protestantische Gruppen vor, nun mehren sich die Spal-tungsversuche und Maßnahmen gegen die katholische Kirche des Landes.

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Die Situation, in der sich heute die katholische Kirche in Nikaragua befindet, ist sicherlich einzigartig auf dem lateinamerikanischen Kontinent: Von außen wird sie von einer marxistisch geprägten Revolutionsjunta zunehmend bedrängt, von innen her wird sie mit einer aus „revolutionären Priestern“ bestehenden „Volkskirche“ konfrontiert, die sich jedoch in den entscheidenden Fragen auf die Seite der Junta stellt. Ein Hindernis auf dem Weg zur Verständigung zwischen der katholischen Kirche und den Sandinisten ist das von den Katholiken Nikaraguas geforderte Recht auf Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen, das von der Junta und der von ihr abhängigen „Volkskirche“ nicht anerkannt wird.

Anfangs hatte der Konflikt zwischen der Kirche und den Sandinisten eher psychologische und soziale Ursachen — die Kirchenhierarchie war auf die meistens aus des Mittel- und Oberschicht stammenden „Comandantes“ nicht gut zu sprechen. Heute haben sich die Fronten noch mehr zugespitzt.

Für die Sandinisten ist die „Volkskirche“ eine Art Brückenkopf, der es ihnen ermöglicht, die

„offizielle“ Kirche jederzeit anzugreifen. Während die Volkskirche über mehrere staatlich finanzierte Zentren verfügt — zum Beispiel das von Pater Molina geführte Zentrum „Antonio Valdivieso“ —, besitzt die von Erzbischof Oban-do y Bravo geführte katholische Kirche Nikaraguas keinerlei staatlich subventionierte Kommunikationsmedien.

Zuerst gingen die Sandinisten gegen die vornehmlich an der Atlantikküste angesiedelten protestantischen Gruppen vor, und zwar mit der Begründung, diese hätten Unruhe unter den dort ansässigen Miskito-Indianern gesät. Der ehemalige sandinistische Arbeitsminister Edgar Macias Go-mez berichtet in seinem Buch „Sandinistische Revolution und Religion“, bis Mitte 1982 hätten die Sandinisten „55 evangelische Gebetshäuser an der Atlantikküste“ zerstört.

Beim Vorgehen gegen die katholische Kirche war man wegen ihrer tiefen Verwurzelung im nikaraguanischen Volk weitaus vorsichtiger. Ein vorrangiges Ziel der Sandinisten war von Anfang an, die Hierarchie von der Basis zu isolieren. Am 21. Juli 1981 ist es zur ersten Kraftprobe mit den sogenannten „göttlichen Horden“ (turbas divinas) — eine von den Sandinisten praktizierte Aufwiegelung der Massen gegen die Bischöfe —gekommen.

Damals versuchte Erzbischof

Obando y Bravo, Pater Arias Caldera, einen Priester, der von den Gläubigen als „Aushängeschild“ der Sandinisten bezeichnet worden war, durch Pater Jose Luis Ibarra zu ersetzen. In der Folge gab es dann mehrere Kirchenbesetzungen durch „turbas divinas“.

Bei der Besetzung der Kirche von Fatima wurde der Franziskanerpater Enriquez schwer verletzt, der Weihbischof von Managua, Bosco Vivas, kam bei der Besetzung der Kirche von Santa Rosa mit Verletzungen davon. Am

11. August 1982 brachte die Sandi-nistenzeitung „Barricada“ Fotos, auf denen der Sprecher der nikaraguanischen Bischofskonferenz, Pater Bismarck Carballo, zu sehen war, wie er nackt und blutend aus einem Haus getrieben wird. Die staatliche Propaganda behauptete, Pater Carballo sei von den Bewohnern des Managuer Stadtviertels Las Colinas in einer „verfänglichen Lage“ ertappt worden. Dabei wußte die Mehrheit der Nikaraguaner, daß es sich um ein von der Regierung inszeniertes Spektakel handelte. In einem Gespräch mit der prosan-dinistischen Missionszeitschrift „Maryknoll“ erklärte der ehemalige Priester und Kultusminister Er-nesto Cardenal: „Wenn die Revolution einen anderen Weg einschlagen wollte, hätte sie die Aufgabe eines Kultusministers in die Hände eines militanten Atheisten legen müssen.“ Gleichzeitig beteuerte er in einem Interview mit der spanischen Zeitschrift „Sa-bado grafico“: „Man kann sagen, daß das Evangelium mich zum Marxisten gemacht hat. Der Christ muß den Marxismus annehmen, um mit Gott und den Menschen zu sein.“

Heute wissen wir, daß weder Cardenal, noch die von ihm geleitete Volkskirche, über einen nennenswerten Einfluß in der Junta und in der nikaraguanischen Gesellschaft verfügen. Dazu der vor kurzem aus Nikaragua ausgewiesene Salesianerpater Mario Fian-dri: „In der Tat besteht sie (die Volkskirche) aus nicht mehr als zehn Prozent der Priester und Ordensleute.“

Die vielfach erhobene Behauptung, die „Volkskirche“ werde sich langsam von selbst auflösen, ist wenig realistisch, zumal an einen Regimewechsel in Nikaragua nicht zu denken ist. Im Gegenteil, jeder Zugriff von außen, auch von Seiten der katholischen Kirche, würde die „Volkskirche“ und das sandinistische Regime nur stärken.

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