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Kirchenrecht ist kein Selbstzweck

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Zwei Beiträge in einschlägigen Zeitschriften haben sich in der letzten Zeit mit kirchenrechthchen Regelungen, insbesondere mit dem Entwurf eines kirchlichen Grundgesetzes, befaßt. Alberto Abelli stellte im Heft 1/1979 der Herder-Korrespondenz den sechsten Entwurf einer „Lex fundamentalis“ den früheren gegenüber. Hanns Stüßer behandelte in der „Orientierung“ (8/1979) vom 30. April die Funktion des Rechts in der Kirche überhaupt, und geht dabei auch auf das neue kirchliche Grundgesetz ein.

Die Anfange zur Konzeption einer „Lex fundamentalis“ reichen in die Schlußphase des Zweiten Vatikanischen Konzils zurück. Theologen wie auch Kirchenrechtler und die Mehrheit des Weltepiskopats standen dem Unternehmen zunächst kritisch gegenüber. Sowohl eine Revision des geltenden kirchlichen Gesetzbuches von 1918 wie auch eine Festschreibung grundsätzlicher theologischer Positionen des Konzüs als Basis für gesetzüche Regelungen sollten in Angriff genommen werden.

Worauf müßte ein Kirchenrecht der Zukunft basieren? Wohl einmal darauf, daß für das Leben des einzelnen und der Kirche als Gemeinschaft der Glaubenden Jesus Christus konkretisierendes, korrigierendes Maß ist. Laut Stüßer darf eine kirchliche Rechtsstruktur niemals Selbstzweck sein, sondern soll dem Gläubigen zu sinnvollem Leben in der Gemeinschaft verhelfen.

In welcher Weise entspricht nun der letzte Entwurf der Kodexreformkommission - er stammt aus Ende 1977 - diesen Grundsätzen? Gegenüber früheren Entwürfen hat sich ein grundlegender Wandel vollzogen, da der Vorsatz, in der rechtlichen Ordnung „ein authentisches Bild der Kirche“ zu geben, als undurchführbar, ja illegitim zurückgestellt wurde. Man begnügt sich mit einer Beschreibung der „grundlegenden rechtlichen Struktur der universalen Kirche“.

„Alle theologischen' Aussagen über die Kirche als .Volk Gottes' sind vollständig eliminiert worden“, schreibt Abelli in der Herder-Korrespondenz. Die anderen christlichen Gemeinschaften werden ausgeklammert und die Zugehörigkeit zur Kirche wird nur rein juristisch formuliert (wobei das nichtjuridische Element „Heiliger Geist“ eben entfallt).

Eine weitere schwerwiegende Veränderung gegenüber früheren Fassungen betrifft die Teilhabe der Gläubigen an der Sendung der Kirche. Es zeichnet sich die Tendenz ab, alle Formulierungen, „die eine Wechselbeziehung zwischen Gläubigen und Hierarchien ausdrücken“, wegzulassen, das Handeln der Gläubigen von dem der Amtsträger streng zu trennen. Von einer Institutionalisierung der Mitsprache der Laien und „einer ständigen Beteiligung an den Entscheidungsprozessen der Hierarchie wird nun nicht mehr gesprochen“. Das Recht der Laien, Verantwortung mitzutragen, wird nicht • ausdrücklich anerkannt

Eine Abänderung jener Paragraphen, die die persönliche Vollmacht des Papstes regeln, bringe praktisch eine,.Liquidierung der bischöflichen Kollegialität“ mit sich, meint Abelli. Die Möglichkeit einer gemeinschaftlichen Initiative der Bischöfe, bei der der Papst nicht auslösende Funktion hat, werde in Hinkunft ausgeschlossen. Das Gewicht der Bischofssynode werde verringert, weder ihre theologische Bedeutung noch ihre Funktion als Organ bischöflicher Kollegialität kämen zum Tragen.

Das gleiche Mißtrauen, das sich so gegenüber der Gesamtheit der Bischöfe ausdrückt, findet sich in jenen Paragraphen, die die Teilnahme der Laien am Amt überhaupt behandeln. Nur im Auftrag der Hierarchie ist ihr Einsatz möghch, „Amt“ wird mit „Vollmacht“ gleichgesetzt. Hinter solchen Tendenzen ist die Besorgnis zu spüren, die in mehreren Ländern bereits abgehaltenen „gemischten“, aus Bischöfen, Priestern und Laien zusammengesetzten Synoden könnten das ausschließliche Recht des Bischofs zur Gesetzgebung begrenzen.

Insgesamt entsteht gemäß diesen zwei Interpretationen das Bild einer ängstlich an ihren Vorrechten festhaltenden römischen Kirchenregierung, die, das von Johannes XXIII. weitgeöffnete Fenster wieder geschlossen hat, um so die Stürme des modernen Lebens besser zu überstehen. Ihr Uberleben aber ist keineswegs Selbstzweck.

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