© APA/Hans Punz
Demokratie unter Stress
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In welchen Fällen unser liberaldemokratisches Modell gefährdet wäre.
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In welchen Fällen unser liberaldemokratisches Modell gefährdet wäre.
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Demokratie ist Wählen, aber nicht nur das. Sie ist ein komplexes Gebilde. Doch unser liberaldemokratisches Modell wäre nur gefährdet …
- wenn man die Demokratie als eine derartige Selbstverständlichkeit ansähe, dass sie keiner Pflege und Obsorge bedürfte, weil „Rückfälle“ in Autoritarismen ausgeschlossen wären;
- wenn das Verständnis für das balancierte repräsentative System dahinschwände, mit der Folge eines destruktiven Zusammenspiels der Kräfte und mangelnden Respekts zwischen den Parteien;
- wenn die Mechanismen des Rechtsstaats (einschließlich Gewaltenteilung) nicht mehr geachtet würden, wenn die Unabhängigkeit der Justiz nicht bewahrt würde oder die Justiz selbst ihre Beschränkungen und Objektivitätsgebote missachtete;
- wenn Menschenrechte als Allzweckinstrument zur Durchsetzung eigener Anliegen eingesetzt (und in Dauerrhetorik abgewertet) würden;
- wenn man die ständige Sorge um die Wahrung von Freiheitsräumen (über die auch die Mehrheit nicht befinden darf) vernachlässigte, sei es in bester Absicht;
- wenn das freie Mediensystem zu „wackeln“ begänne oder eine öffentliche Diskussion nicht mehr mit Informiertheit und Bedachtsamkeit stattfände;
- wenn die bürokratische Maschinerie (aufgrund von Überlastung oder Überkomplexität) Gesetz und Politik nicht mehr ausreichend und nachvollziehbar „auf den Boden“ brächte;
- wenn die politische Kultur zu einer Sache persönlicher Affekte und Verfälschungen, Verleumdungen und Bosheiten degenerierte;
- wenn Faktenbindung und Kompromissbereitschaft dahinschwänden, obwohl die Demokratie nur mit einem „kooperativen Minimum“ funktioniert.
Glücklicherweise werden wir von solchen Gefährdungen nicht behelligt. Oder?
Der Autor ist Professor für Soziologie an der Universität Graz.