Digi-Steinzeit

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Datenschutz ist zu einem mythisierten Tabu geworden, aber „Lieber tot als transparent“ kann auch nicht die Maxime sein.

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Datenschutz ist zu einem mythisierten Tabu geworden, aber „Lieber tot als transparent“ kann auch nicht die Maxime sein.

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Die Epidemie bringt Verschiedenes zum Vorschein, das sonst weiter dahingeschlummert hätte. Seit vielen Jahren wurde in Sachen Digitalisierung der Nachholbedarf in diesem Lande eingemahnt. Aber dem standen dann immer die Jubelmeldungen gegenüber: da ein Start-up auf Weltniveau. Dort ein Algorithmus für die Raumfahrt. Und hier wurde ein Preis verliehen. Wir sind gut aufgestellt. Fast schon Weltspitze.

Dann kommt das Virus. Eine große Krise, bei der man manche Fehler verzeihen muss. Die Hinterdrein-Besserwisser sind unerträglich. Aber im Digitalen darf man auch erschüttert sein. Formulare, die größtenteils händisch ausgefüllt werden müssen. Kugelschreiber statt Scanner. Anmeldungssoftware, deren Erstellung Monate dauert und die dann noch dauernd nachjustiert werden muss. Datenbanken, die miteinander nicht abgeglichen werden können. Ein elektronischer Impfpass, der nur für zukünftige Impfungen gilt. Aber nicht nur Bundes- und Landesbehörden sind schuld. Alles, was vernünftig sein könnte, verhindert ein Datenschutz, der zu einem mythisierten Tabu geworden ist. Zentrale Systeme dürfen alles nicht wissen, was Google, Amazon und Microsoft längst wissen. Lieber Forschung unterbinden, Ineffizienz steigern und Krisenbekämpfung erschweren.

Herfried Münkler hat jüngst den Vergleich mit der Staatsgewalt gezogen. Man wird nicht durch einen Staat geschützt, der möglichst schwach ist, sondern durch einen, der stark ist, aber kontrolliert wird. Datenschutz heißt nicht: den Staat möglichst dumm machen. Datenschutz heißt: den Staat elektronisch und datenmäßig aufmunitionieren und ihm genau auf die Finger schauen. „Lieber tot als transparent“ kann auch nicht die Maxime sein.

Der Autor ist Professor für Soziologie an der Universität Graz.

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