Empörung über Sanna Marin: Tanzende Frauen

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Öffentliche Auftritte von Frauen und Männern werden immer noch unterschiedlich beurteilt. Ein Aufruf zru Reflexion.

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Öffentliche Auftritte von Frauen und Männern werden immer noch unterschiedlich beurteilt. Ein Aufruf zru Reflexion.

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Ich habe überlegt, ob ich das Thema überhaupt aufgreifen soll, weil ich es eigentlich absurd finde, dass eine Frau, die auf einer Party tanzt, die Schlagzeilen dominiert. Egal, ob Ministerpräsidentin oder nicht. Auch wenn ich der Meinung bin, dass man in bestimmten Positionen eine Vorbildfunktion hat, verstehe ich zwei Dinge nicht: Seit wann ist Spaß zu haben ein schlechtes Vorbild? Und warum dürfen vor allem Frauen in bestimmten Positionen kein Privatleben und keinen Spaß haben? Ich habe noch selten Nachrichten über tanzende, feiernde, trinkende, männliche Politiker gelesen – außer deren Aktionen hatten noch weitere Implikationen wie Feiern im Lockdown, Bestechung oder Ausverkauf des Staates.

Auch aus meiner eigenen Erfahrung weiß ich, dass Frauen noch immer mit anderen Maßstäben gemessen werden – und egal, wie sie sich verhalten, mit Kritik rechnen müssen. Zum Beispiel wurde mir schon vorgeworfen, dass ich zu weich bin, in meinem Führungsstil zu weiblich (was immer das heißen soll). Und gleichzeitig gab es Rückmeldungen, dass ich zu hart und durchsetzungsstark sei. Mein Aussehen wird immer wieder kommentiert, mir wurde in einem Angestelltenverhältnis sogar eine Modeberatung angeboten. Und prinzipiell sehe ich nicht nur bei mir, sondern bei vielen Frauen in meiner Umgebung, dass ihre Arbeit oft weniger wertgeschätzt wird und daher ein latentes Gefühl entsteht, mehr tun zu müssen.

Aus meiner Erfahrung sind es allerdings nicht nur Männer, die Frauen kleiner machen, sondern auch Frauen selbst. Daher habe ich das Thema trotz der Absurdität zum Anlass genommen, alle Leser(innen) zu bitten, beim nächsten Mal, bei dem sie eine Frau zu hübsch, zu sexy, zu hässlich, zu hart, zu schwach, zu weich, zu was auch immer finden, sich selbst zu hinterfragen, ob sie bei einem Mann das Gleiche sagen würden.

Die Autorin ist Direktorin des Climate Lab.

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