Formbare Normalität

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Sigrid Stagl über Gewohnheiten und scheinbare Errungenschaften, die diskutiert werden sollten.

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Sigrid Stagl über Gewohnheiten und scheinbare Errungenschaften, die diskutiert werden sollten.

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Was ist normal? Freunde treffen können, Erwachsene dürfen in die Arbeit gehen, klar. Aber was ist normales Konsumverhalten? Mein Verhalten vor der Pandemie? Jeder wünscht sich seine jeweilige Normalität zurück. Doch was wir in Österreich Anfang 2020 als normal empfanden, war in früheren Zeiten besser als das Leben von Fürsten und Königen. Was in Österreich normal ist, zum Beispiel Zugang zu sauberem Wasser, ist für 2,2 Milliarden Menschen weltweit nicht erreichbar. 4,3 Milliarden Menschen können keine sicheren Sanitäranlagen nutzen. Ist das normal? Die Pandemie hat im Jahr 2020 zu mehr als 400.000 Todesfällen in Europa geführt. Laut Europäischer Umweltagentur sterben in Europa jedes Jahr 400.000 Menschen an Luftverschmutzung. Ersteres ist klar nicht normal, letzteres schon, weil regelmäßig? Die üblichen Gewohnheiten und Strategien, die erfolgreiche Menschen verwenden, könnten zu sozialen Normen werden. Flug­reisen könnten ein Symbol für Gewohnheiten erfolgreicher Menschen gesehen werden.

90 Prozent aller Menschen sind im letzten Jahr aber nicht geflogen. Ist es normal, zu Zeiten der Klimakrise Flugreisen zu machen? Sollen wir hoffen, dass der Sommer diesbezüglich wieder normal wird? Vielleicht ist Normalität kontextabhängig. Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender-Personen werden bei uns heute respektvoller behandelt als vor 50 Jahren. Diese kontextspezifische Definition von Normalität weist auf die Relativität und Veränderbarkeit unserer Vorstellungen von Normalität hin. Wenn Normalität veränderbar ist, könnten wir uns daran orientieren, was allen guttut. Das zu erreichen, versuchen die Maßnahmenbündel, die in der Literatur „sozial-­ökologische Transformation“ genannt werden. Gutes Leben für alle. Gute Arbeit für alle.

Die Autorin ist Professorin für Umweltökonomie und -politik an der WU Wien.

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