Freund und Feind

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Manfred Prisching über antiliberale oder illiberale Demokratien.

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Manfred Prisching über antiliberale oder illiberale Demokratien.

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Ein Trend zeichnet sich an vielen Orten der globalisierten Welt ab: Die vergleichsweise kurze Epoche freiheitlicher Demokratien könnte ihre Abstiegsphase erreicht haben. Antiliberale oder illiberale Demokratien, die im westlichen Verständnis keine Demokratien sind, finden zunehmende Attraktivität.
Klassische Angriffe auf die Demokratie waren durch opponierende Ideologien, etwa mit kommunistischem oder faschistischem Hintergrund, begründet. Das neue Phänomen ist Antidemokratismus ohne einheitliche Ideologie und ohne visionäre Alternative. Die Gemeinsamkeit zwischen Putin, Trump, Erdogan und Orbán ist zum einen die mit allerlei emotionalen Versatzstücken gefüllte Antihaltung, zum anderen die Attacke auf die Spielregeln der „formalen Demokratie“. Man will die Lästigkeiten, die das eigene Handeln beschränken, loswerden. Man hält die balancierenden Verfahrensweisen, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte für Kinderkram. Da wird kräftig zugelangt.
Zuweilen taucht in Kommentaren Carl Schmitt wieder auf. Nicht wegen seiner Neigung zu autoritären Verhältnissen, sondern wegen seiner ausgefallenen Definition der Politik. Politik ist seines Erachtens nicht die Konfrontation unterschiedlicher Programme oder Ideologien, sie ist jenseits davon angesiedelt: Es ist die Konfrontation von Freund und Feind. Es bedarf keiner (wirklichen) Inhalte. Es geht um Macht, Kampf, Sieg. Die alternativfreien Attacken gegen Elemente demokratischer Gebilde zeigen dieselbe Grundidee: Hemmnisse beseitigen, uneingeschränkte Führerschaft ermöglichen. Den Feind mit allen möglichen Mitteln (auch mit vorgeblich rechtlichen Mitteln) diskreditieren, beschädigen und eliminieren. Dieses Grundverständnis ist, im Großen und im Kleinen (selbst im Heimischen), im Aufstieg. Es könnte die Demokratie überwinden.

Der Autor ist Professor für Soziologie an der Universität Graz.

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