Über das Reden über den Krieg
Es gibt das Grauen vor dem Krieg – aber auch jene Gruseligkeit, die einen beim Kriegsgerede überfällt: wenn man Stellungnahmen liest, welche die je eigenen Überlebensvoraussetzungen souverän verkennen. Es ist nicht die Rede von den banalen Lügen und Verdrehungen der Kriegspropaganda, sondern von ernst gemeinten Handlungsvorschlägen. Da ist einmal die Position der Draufhauer.
Man muss radikal eingreifen: schwere Waffen, Luftverbotszone, NATO-Truppen. Der Blick von der Zuschauertribüne ist wohlfeil. Aber einen dritten Weltkrieg wird man dann wohl in Kauf nehmen müssen. Vielleicht nur einen „kleinen“. Dann kommen zweitens die Moralischen daher. Fossile Importe sofort stoppen: keine Kriegsfinanzierung. Es reicht wohl, wenn unsere Industrie jeden zweiten Tag produziert. Und zeitweilige Stromausfälle werden wir auch verkraften. Waffen: böse. Gewaltloser Widerstand: gut.
Letzteren könnten wir dann gleich ein paarmal durchspielen, etwa in Moldau, Litauen und so weiter. Die dritte Position ist jene des Heraushaltens, bei erklärter Sympathie. Peinlich ist uns die Sache mit den Sanktionen, die gegen gute Kunden unfreundlich wären, aber glücklicherweise hat man in Österreich ohnehin keine Daten. Schwarzfahrerei als Staatsdoktrin heißt: Man fährt mit, die anderen zahlen.
Man muss Neutralität richtig deuten; dann ist sie mit Charme und Geschäft gut vereinbar. Bliebe noch die vierte, realistische Position: eine verdammt heikle Sache, bei der man bedachtsam abwägen muss (ohne dass dies flugs zur Rechtfertigung für Nichthandeln gerät). Den Balanceakt vollführen viele westliche Staaten mit mehr Geschick, als man erwarten durfte. Aber dann kommen die reschen Menschen mit ihren Vorwürfen: Das ist Unentschlossenheit. Zögern. Führungsversagen.
Der Autor ist Professor für Soziologie an der Universität Graz.
