Hashtag Konzentrationslager

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Darf man mit Tiktok des Holocausts gedenken?

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Darf man mit Tiktok des Holocausts gedenken?

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Der junge Mann lächelt in die Kamera: „Hi, ich bin Daniel“, sagt er auf Englisch. Er komme aus Großbritannien. „Und ich laufe hier gerade durch das Tor eines ehemaligen Konzentrationslagers.“

Mich schaudert. Dabei habe ich großen Respekt vor Daniel. Denn ich erfahre: Er macht ein freiwilliges Jahr in der Gedenkstätte Hamburg-Neuengamme, einem Außenlager des KZ Sachsenhausen. Nur die scheinbar unbekümmerte Art, in der Daniel durch den Ort des Grauens führt, irritiert mich. Ich klicke mich durch Dutzende weiterer kurzer TikTok-Videos mit Hintergrundmusik und bunten animierten Grafiken. Daniel und andere Freiwillige sprechen über die furchtbare Vernichtungsmaschinerie der Nazis. Sie versuchen, das Leid der Opfer sichtbar zu machen. Ausgerechnet auf TikTok, wo sonst Teenager belanglose Tanzfilmchen posten! Ich gebe zu, meine erste Reaktion war extrem skeptisch, als ich eingeladen wurde, den Organisatoren der Initiative Feedback zu geben.

Mein Einwand, dass ich mir etwas mehr erkennbare Betroffenheit und Tiefe gewünscht hätte, fand bei der Runde wenig Gehör. „Damit würden wir die jungen TikTok-User sofort vergraulen, noch bevor wir sie erreichen“, war das Gegenargument. Ich muss sagen: Der Erfolg gibt der Initiative recht. Die Resonanz ist riesig. Unter den Videos wird eifrig diskutiert und mit Interesse und Betroffenheit kommentiert. 70 Prozent der TikTok-Nutzer sind jünger als 40 Jahre. Sie gehören damit zu der Generation, die besonders große Wissenslücken beim Holocaust aufweist.

Deshalb mein Fazit: Chapeau! Jede Initiative, die dazu beiträgt, die Erinnerung an den Schrecken aufrecht zu erhalten, verdient Respekt! Wir brauchen möglichst viele davon, um die verbalen Beteuerungen – gerade am heutigen internationalen Holocaust-Gedenktag – in die Tat umzusetzen.

Die Autorin ist stv. Redaktionsleiterin Ausland und politischer Hintergrund beim Bayerischen Rundfunk.

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