Impfskepsis und Grundrechte

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Wie prägend bei der Bekämpfung der Pandemie das Vertrauen in staatliche Strukturen ist.

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Wie prägend bei der Bekämpfung der Pandemie das Vertrauen in staatliche Strukturen ist.

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Eine der Ursachen der Skepsis gegen Covid-19-Impfungen ist mangelndes Vertrauen in staatliche Strukturen. Dieses wurde weniger durch kleinere Fehler in der Kommunikation als in deren medialer Verarbeitung sowie durch systematisches Infragestellen der politischen Akteure untergraben: Unschärfen wurden hochgespielt, Unwissenheit mit Pathos kaschiert. Selbst Grundwerte unseres Staates werden dabei verfremdet

  • Sich derzeit ohne medizinische Notwendigkeit nicht gegen Covid-19 impfen lassen wollen, wird als Grundrecht verteidigt;
  • Restriktionen oder positive Impfanreize werden als unzulässiger Eingriff in die persönliche Freiheit qualifiziert;
  • und in Oberösterreich wirbt eine Kleinstpartei, deren Plakat eine durchgestrichene Spritze zeigt, mit dem Slogan, Freiheit und Grundrechte der Menschen zu verteidigen.

Rechtlich sind diese Vorstellungen falsch: Der Grundrechtsschutz der persönlichen Freiheit und körperlichen Integrität ist nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht schrankenlos, sondern lässt Eingriffe zu, wenn es das Gemeinwohl erfordert. Wenn die Judikatur eine Impfpflicht für zulässig erachtet, sind verhältnismäßige gelindere Mittel, die Impfbereitschaft anzuregen, zweifellos verfassungsrechtlich zulässig.

In einer Gesellschaft, die sich bei der finanziellen Unterstützung zur Bekämpfung der Covid-19 Pandemie überaus großzügig zeigt und bereit ist, die Folgen einer Erkrankung im Gesundheitswesen zu tragen, ist die medizinisch nicht begründete Verweigerung der Impfung fragwürdig. Wer sich ohne medizinische Notwendigkeit gegen Covid-19 nicht impfen lassen will, mag seine Argumente dafür haben; die Grundrechte hat er jedenfalls nicht auf seiner Seite.

Der Autor ist Professor für Arbeits- und Sozialrecht und Leiter des Instituts für Familienforschung.

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