Israel: Netanjahus Immunität
Über Impfskepsis und die Parlamentswahlen in Israel.
Über Impfskepsis und die Parlamentswahlen in Israel.
Wenn diese FURCHE erscheint, werde ich gerade meine zweite Impfspritze erhalten haben. Schon beim ersten Termin musste ich mich zusammenreißen, um die Ärztin nicht zu küssen. So dankbar bin ich für die Möglichkeit. Ich habe auch ein wenig ein schlechtes Gewissen meinen Freunden in Deutschland und Österreich gegenüber, die noch nicht mal einen Termin für ihre betagten Eltern ergattern konnten.
Mittlerweile zeigt sich, dass nicht alle Israelis ihr Impfprivileg zu schätzen wissen. Die hohen Altersgruppen und Risikopatienten sind fast vollständig geimpft. Aber nun stehen die Impfzentren allen über 16 Jahren offen – und häufig leer. Laut einer Umfrage wollen mindestens 30 Prozent nicht mit dem in Israel verwendeten Biontech/Pfizer-Produkt in Berührung kommen. Ausgerechnet in Teilen der Bevölkerung, in denen die Infektionsraten besonders hoch sind, bei den ultraorthodoxen Juden und den arabischen Israelis, ist die Skepsis am größten. Aber auch viele säkulare Israelis zögern – offenbar je jünger desto häufiger. Gerade ist das Gerücht in Umlauf, wonach die Impfung unfruchtbar macht. Vollends absurd wird es, wenn solche unsinnigen Behauptungen über gesundheitliche Schäden durch den Impfstoff von Tel Aviver Hipstern verbreitet werden, die sonst keinerlei Berührungsängste mit allen möglichen (Party-)Drogen haben.
Die Impfskepsis gefährdet das Ziel der Regierung von Premier Netanjahu, bis Ende März eine Herdenimmunität in Israel zu erreichen. Der Termin ist politisch motiviert. Am 23. März stehen Parlamentswahlen an. Netanjahu will als Impfweltmeister seine Konkurrenten abhängen. Damit auch seine bisherige teils katastrophale Corona-Politik vergessen machen. Außerdem hat der Korruptionsprozess gegen ihn begonnen. Sollte er die Wahlen gewinnen, könnte er ein Gesetz durchbringen, das ihn vor Strafverfolgung schützt. Netanjahus persönliche Immunität und
Israels Herdenimmunisierung hängen also zusammen.
Die Autorin ist Korrespondentin der ARD im Nahen Osten.