Klima der Heucheleien

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Über den Vormarsch des Voodoo im öffentlichen Diskurs

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Über den Vormarsch des Voodoo im öffentlichen Diskurs

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Der Meeresspiegel steigt. Das wissen wir. Der Level der Heucheleien steigt noch rascher. Bei den Nachrichten beginnt man immer öfter darüber zu stolpern, ob man wohl richtig gehört hat. Wenn in den News eine Meldung oder ein Interview damit beginnt, dass Respekt und Würde eingefordert werden, kann man sicher sein, dass in den Folgeminuten nach dem wertepathetischen Einstieg nur noch über Geld gesprochen wird: bei Pflegerinnen, Ärzten, Lehrern, Betreuern und anderen.

Wenn von breiter Verarmung und Verelendung aufgrund von Kostensteigerungen und Inflation gesprochen wird, geht es nicht um die Selbstverständlichkeit, dass man dem unteren Einkommensviertel unter die Arme greifen muss (was durch Sozialpolitik und Steuerpolitik in großem Maße geschieht), sondern um die Einkommen von Freeridern, die ihre eigenen Interessen „mitfahren“ lassen wollen: Mittelschicht, Interessenvertretungen, umsatzmaximierende Sozial-NGOs.

Wenn man Arbeitskräftemangel durch eine 20-prozentige Arbeitszeitverkürzung und Inflation durch einen 20-prozentigen Stundenlohnanstieg bekämpfen will, dann ist selbst der Begriff der Voodoo-Ökonomie zu harmlos. Wenn irgendwann der Begriff Neutralität fällt, kann man begrifflichen Vernebelungsaktionen beiwohnen, für die man den Begriff Voodoo-Völkerrecht einführen müsste.

Wenn man darauf eingestimmt wird, dass sich die großen Öko-Ziele 2035 oder 2050 einstellen werden, sollte man sich vergegenwärtigen, dass dann keiner der jubelnden Politiker noch im Amt sein wird. Denn trotz Begeisterung über das Green Century sind alle wesentlichen Probleme mit Sonne, Wind und E-Auto nicht gelöst: Speicherfrage, Leitungsbau, Rohmaterialien und Rentabilität.

Der Autor ist Professor für Soziologie an der Universität Graz.

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