Langeweile und Unschärfe

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Die amerikanische Zeitschrift Foreign Policy hat 13 renommierte Ökonomen und Denker gefragt, wie sie die postpandemische Gesellschaft benennen würden. Es wurden Begriffe vorgeschlagen wie experimentelle Ökonomie, entfesselte Regierung, Postfinanzkapitalismus, neuer Sozialvertrag oder infantilisierter Liberalismus. Zwei andere Begriffe sind origineller.

Niall Ferguson schlägt „the boring twenties“, die langweiligen Zwanziger, vor. Dem Fiasko des Ersten Weltkrieges seien die lebenslustigen Roaring Twenties gefolgt, deren Schattenseiten man allerdings nicht vergessen sollte. Doch uns werden die lästigen Gewohnheiten (von der Maske bis zum Impfnachweis) in einer permanenten Epidemie über die nächsten Jahre erhalten bleiben. Über die Ergebnisse des experimentellen Gelddruckens können wir nur spekulieren. Und die internationale Situation wird sich (insbesondere durch den USA-China-Gegensatz) eher versteifen. „Alte Normalität“ unter verschärften Bedingungen: Das ergibt Langeweile. Klima wird ohnehin mühsam.

Antoine van Agtmael hat den Begriff „Fuzzynomics“ vorgeschlagen. Es sei eine Übergangszeit: Man könne nicht erkennen, was geschieht. Das Schwergewicht der internationalen Szene wandert von West nach Ost. Amerikaner mögen noch an ihren Exzeptionalismus glauben, der Rest der Welt tut es nicht mehr. Ansonsten hat sich der Westen die ungeprüfte Idee angeeignet, man könne sich aller Probleme durch das Ausgeben von Geld, das man nicht hat, entledigen. Das hat natürlich nichts mit Keynesianismus zu tun. Aber man hat sich in eine Situation manövriert, in der man so weitermachen muss, um wirtschaftlich und politisch den Kopf über Wasser zu halten. Kein Mensch weiß, was dabei herauskommt. Fuzzy: ein unscharfes Bild.

Der Autor ist Professor für Soziologie an der Universität Graz.

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