Olympia 1972: "Mein liebster Andrei"

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50 Jahre danach stellt sich Deutschland der Fehler und Vertuschungsversuche rund um das Attentat auf die Olympischen Spiele 1972 in München. Susanne Glass spricht dazu Klartext.

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50 Jahre danach stellt sich Deutschland der Fehler und Vertuschungsversuche rund um das Attentat auf die Olympischen Spiele 1972 in München. Susanne Glass spricht dazu Klartext.

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Am Tag danach, am 6. September 1972, stand Ankie Spitzer in einem blutverschmierten Zimmer im Olympischen Dorf in München; im Schlafzimmer ihres Mannes, des israelischen Fechttrainers Andrei Spitzer. Die damals 26-Jährige sah Einschusslöcher an der Wand, am Boden lag ein Stofftier. Hier war ihr Andrei zusammen mit acht noch lebenden weiteren israelischen Sportlern stundenlang in Todesangst eingesperrt. Überfallen von einem palästinensischen Terrorkommando. Das Stofftier Waldi war das Maskottchen der „heiteren Spiele“. Ihr Mann hatte es für ihr Baby gekauft. Sie wusste nun, das Mädchen muss ohne Vater aufwachsen, weil der dilettantische Befreiungsversuch der deutschen Sicherheitskräfte katastrophal gescheitert war. Am Ende waren alle elf israelischen Athleten und ein bayerischer Polizist tot. Die Olympischen Spiele gingen nach kurzer Unterbrechung weiter. Ein deutscher Regierungssprecher erklärte, der Grund für die unliebsame Pause werde schon bald vergessen sein.

„Mein liebster Andrei“, beginnt Ankie Spitzer ihre Rede am 5. September 2022. Ihre Vorredner waren u. a. die Präsidenten Deutschlands und Israels. Es sind enorm viele Würdenträger, die zur Gedenkfeier 50 Jahre danach angereist sind. Ankie Spitzer hatte bis zuletzt um eine Kompensation für die unfassbaren Fehler und Vertuschungsversuche gerungen. Akten waren plötzlich verschwunden oder wurden gesperrt. Erst 50 Jahre später hört sie endlich umfassende Bitten um Vergebung. Deutschland zahlt 28 Millionen Euro an die Angehörigen der Opfer. Das Geschehene soll von einer israelisch-deutschen Historiker-Kommission aufgearbeitet werden. Und Ankie Spitzer sagt: „Vergib mir, Andrei, dass ich so lange gebraucht habe. Nach fünfzig Jahren kannst Du endlich ruhen. Und ich auch.“

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