Toxische Polarisierung

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Um die so gehassten politisch Andersdenkenden zu verhindern, sind viele Menschen bereit, autoritäre Tendenzen in Kauf zu nehmen.

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Um die so gehassten politisch Andersdenkenden zu verhindern, sind viele Menschen bereit, autoritäre Tendenzen in Kauf zu nehmen.

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Am Rande der 1. Mai-Rede von Herbert Kickl wurden ORF-Reporter von Zuschauern als „Lügenpresse“ beschimpft und aus dem Urfahraner Festzelt hinausgebrüllt. Solche Szenen sind für Österreich ungewohnt, aber wir kennen sie aus anderen Kontexten. Etwa als in den USA und Brasilien Donald Trump und Jair Bolsonaro regierten, zwei Corona-Leugner, die die Bevölkerung gegen alle aufhetzten, die ihnen politisch nicht nahestanden. Politische Gegner wurden zu Feinden; Gesundheitsexperten zu Verbreitern von Fake News; demokratische Institutionen zu Hindernissen auf dem Weg zu einer „Volksherrschaft“.

Im politikwissenschaftlichen Jargon bezeichnen wir dieses Phänomen als „toxische Polarisierung“. Ein gewisses Maß an Polarisierung ist wichtig, ja sogar notwendig für die Demokratie. Polarisierung bedeutet im Grunde nur, dass es in einem Land unterschiedliche Meinungen gibt. Toxisch wird die Polarisierung erst dann, wenn es anstatt einer Vielfalt von Anschauungen nur noch zwei entgegengesetzte Pole zu geben scheint – und Menschen negative, ja Hass-Gefühle gegenüber Andersdenkenden entwickeln.

In dieser Situation entsteht Gefahr für die Demokratie. Denn um die so gehassten politisch Andersdenkenden zu verhindern, sind viele Menschen bereit, autoritäre Tendenzen in Kauf zu nehmen. Ein Demokratieabbau von innen ist die Folge. In den USA und in Brasilien führte die Spaltung am Ende gar zu Putschversuchen.

Die aktuelle Situation in Österreich kann nicht mit diesen Ländern verglichen werden. Aber die Beispiele sollten als Warnung dienen. Wir brauchen seriöse inhaltliche Diskussionen – und Wertschätzung gegenüber Andersdenkenden. Um die Gräben schließen zu können, muss man vorher tief hineingeblickt und sie als das erkannt haben, was sie sind: Fallen für die Demokratie.

Die Autorin ist Professorin für Politikwissenschaft an der Universität Wien.

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