Was ist eine Meinung?

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Manche tun so, als geböten es Pluralismus, Demokratie und Menschenrechte, alle Meinungen zu respektieren und ernst zu nehmen. Welch ein Unsinn! Erstens gibt es Dogmatismen, Rassismen und Hassreden unterschiedlicher Art, die nicht zu jenen Auffassungen gehören, die man locker unter „Meinung“ rubrizieren kann. Trumpisten, die Ku-Klux-KlanThesen vertreten, oder islamische Kämpfer, die Christentum, Frauen und Westen verächtlich machen, üben nicht ihre liberalen Rechte aus; sie sind Zerstörer. Zweitens gibt es Behauptungen, die unter dem Titel der Meinungen vorgetragen werden, die aber nichts anderes als Dummheiten sind. Ihren Proponenten kann man nur sagen: Nein, die Erde ist nicht flach. Doch, das Virus gibt es. Wer mit der Diagnose Brustkrebs auf Heilkräuter statt auf Operation setzt, ist selbst schuld. Drittens gibt es informations- und argumentationsfreie Behauptungen: das Maulaufreißen, ohne dass man sich je um die Sache selbst gekümmert hätte. Corona sei bloß Grippe, sonst sei alles Verschwörung. Blinde und asoziale Ignoranz dieser Art ist nicht mehr als Gerülpse. Viertens ist es absurd, Meinungen über Dinge zu äußern, die man (unter Heranziehung der bestmöglichen Quellen) einfach nicht weiß. Niemals haben wir so viel Wissen über unser Nichtwissen besessen, und bis zur Erforschung mancher Dinge sind Behauptungen, die nur auf Stimmungen und Bauchgefühlen beruhen, haltloses Gerede. Diese vier Kategorien von Äußerungen sind nicht „Meinungen“, sondern Geschwätz. Nicht jede Behauptung darf Respekt heischen, man muss nicht jeder Blödheit Respekt entgegenbringen. Denn es gilt das Wort des israelischen Philosophen Carlo Strenger: Manchmal ist auch „zivilisierte Verachtung“ geboten.

Der Autor ist Professor für Soziologie an der Universität Graz.

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