6959780-1984_43_14.jpg
Digital In Arbeit

Klassenkampf der Geschlechter?

Werbung
Werbung
Werbung

Es ist schon ein eigenartiges Gefühl, als Mann einer Gruppe von rund 60 Frauen zuzuhören, wenn sie über Mann-Frau-Beziehungen debattieren — noch dazu, wenn es sich um Verfechterinnen der Frauenemanzipation handelt. Ich-muß schon sagen, gut kommen wir Männer da nicht weg.

Immer wieder ermunterten sich die Frauen zum Kampf gegen die männliche Vorherrschaft, riefen sie zur Eroberung männlicher Machtpositionen und zur Verteidigung erkämpfter Rechte auf. Wie militant die Runde war, erfuhr der zweite männliche Teilnehmer, als er sich zum dritten Mal in zwei Tagen zu Wort gemeldet hatte. Auf die recht harmlose Bemerkung, Geschlechtsunterschiede könnten doch auch etwas Positives an sich haben, erntete er nicht nur — wie die beiden Male vorher — verächtliches Gelächter. Diesmal stand eine der Frauen auf und verbat sich weitere Wortmeldungen eines Mannes. Sie sei zu einem Frauenseminar gekommen.

Diese Männerfeindlichkeit im Inhalt stand im Gegensatz zum männlichen Stil des aggressiven Durchsetzens, dem sich die Runde offensichtlich verschworen hatte. Ihr Anliegen schien mir, vereinfacht ausgedrückt, folgendes zu sein: Wir wollen alle Unterschiede zwischen den Geschlechtern beseitigen — bis auf das, was sich nicht vermeiden läßt. Und diese Gleichheit erobern wir am besten, indem wir uns in jenem Bereich durchsetzen, der heute allein zählt, in der Berufswelt.

Daher hörte ich die Teilnehmerinnen auch nie über persönliche Beziehungen oder Gefühle sprechen. Immer ging es nur um Strukturen, Macht, Funktionen, Prozesse, Gestaltung durch Eingriff.

Zur Forschung hatten die Damen ein zwiespältiges Verhältnis: Paßten die Ergebnisse nicht zu den eigenen Vorstellungen, wurden die Einsichten unter Hinweis darauf, daß ja Männer geforscht hätten, suspekt gemacht. Dafür setzte man große Hoffnungen auf das, was Frauen an neuen Erkenntnissen zutage fördern würden.

Diese Einstellung zur Forschung erschien mir symptomatisch. Hinter allem wird ein Anschlag der Männer vermutet. Alles wird unter dem Aspekt möglicher weiblicher Benachteiligung betrachtet. Auf dieser Ebene ist aber überhaupt kein Gespräch mehr möglich. Denn jedes Argument wird solange gedreht, bis es ins eigene Bild paßt. Typisches Beispiel: In Frankreich wird die Kinderbeihilfe für das dritte Kind drastisch erhöht. Welch Attentat auf die Unabhängigkeit der Frau, zur Gebärmaschine wolle man sie degradieren. Gott sei Dank hätten sich die Französinnen nicht einfangen lassen, wurde erleichtert festgestellt.

Die einseitige Fixierung auf das Gleichheitsideal raubt den Frauen auch den Blick für das Zuträgliche. Daß es in Österreich ein Nachtarbeitsverbot für Frauen gäbe, konnten die schwedischen Teilnehmerinnen überhaupt nicht verstehen. Wenn Männer nachts arbeiten, können es Frauen auch. Auch der Hinweis, daß Nachtarbeit für beide Geschlechter schädlich sei und man daher froh sein könne, daß wenigstens Frauen verschont blieben, überzeugte sie nicht.

Uber Familie hatte die Konferenz nicht viel zu sagen. Sie wurde eher wie eine Mini-Produktionseinheit betrachtet, in der die Arbeiten ungerecht verteilt sind.

Ich muß jetzt aufpassen, nicht in eine zynische Pauschalverurteilung der Teilnehmerinnen zu geraten. Was weiß ich von den schlechten Erfahrungen, die diese Frauen möglicherweise mit Männern gemacht haben? Wieviel Enttäuschung und Verbitterung mag ihre derzeitige Haltung wohl prägen? Wir Männer haben keinerlei Ursache, uns über die Frauenbewegung zu mokieren. Für uns spielt der Beruf auch eine allzu große Rolle, wir kümmern uns zu wenig um unsere Kinder und engagieren uns ungern im Haushalt. Und wie viele Männer haben den Umstand, daß sie Geldverdiener waren, mißbraucht! Und womit sollte man rechtfertigen, daß die Frauen für gleiche Leistungen weniger verdienen?

Nicht belächeln sollte man die kämpferische Frauenbewegung, sondern ihre Kritik ernst nehmen. Dann erst kann man auch ihren Lösungsversuch, nämlich den Klassenkampf der Geschlechter, mit aller Vehemenz verurteilen. Denn dieser Ausweg ist verheerend. Wie sollten denn jemals Beziehungen zwischen Mann und Frau glücken, wenn jeder nur ängstlich darüber wacht, daß ihn der andere nur ja nicht übervorteilt?

Beziehungen werden nur gelingen, wenn wir uns um mehr gegenseitiges Verständnis und um Vertrauen bemühen, wenn wir verzichten lernen und Abhängigkeit bejahen. Dazu sollten wir uns ermuntern — Männer und Frauen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung