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Kleine sind benachteiligt

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Kleinbetriebe sind wieder „in“. Sie haben sich in den schwierigen siebziger Jahren als erstaunlich anpassungsfähig erwiesen, während die Großen trotz Förderung Probleme bereiten. Man müßte es den Kleinen jedoch leichter machen.

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Kleinbetriebe sind wieder „in“. Sie haben sich in den schwierigen siebziger Jahren als erstaunlich anpassungsfähig erwiesen, während die Großen trotz Förderung Probleme bereiten. Man müßte es den Kleinen jedoch leichter machen.

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Die österreichischen Wirtschaftspolitiker haben die Kleinbetriebe wiederentdeckt. Noch in den sechziger Jahren wollten Ökonomen die Wirtschaft in Richtung größerer Betriebseinheiten umstrukturieren. Mittlerweile — besonders seit der Krise 1975 — haben sich gerade kleine und kleinste Betriebe immer wieder als Stabilisatoren im Wirtschaftsablauf erwiesen.

Heute treten nicht nur die bürgerlichen Parteien in Österreich massiv für die Klein- und Mittelbetriebe ein, sondern auch Experten der OECD und der EWG haben diese Betriebsgruppe wiederentdeckt. Untersuchungen der jüngsten Zeit zeigen, daß diese Wiederentdeckung gerade im rechten Augenblick erfolgt ist.

Die Gesetzgebung und die Lohnpolitik, aber auch die Strukturpolitik haben den Gewerbebe-

trieben bereits schwere Schäden zugefügt. Die Gesetzesflut der letzten Jahre mit ihren für Nichtjuristen oft unüberschaubaren Bestimmungen belastet die Gewerbetreibenden mit einem unzumutbaren zusätzlichen Verwaltungsaufwand. Die hohen Lohnabschlüsse der siebziger Jahre, die nur in der Hochkonjunktur finanzierbar gewesen sind, erweisen sich in der Flaute als irrever- sibel und als wesentliche Belastung für die Betriebe.

Aber auch die Strukturpolitik, geprägt vom Wunsch nach größeren Betriebseinheiten, ist nicht gewerbefreundlich verlaufen: Besonders in der Nahversorgung wurden viele Kleingewerbebetriebe von Supermärkten verdrängt, die zwar nicht das gleiche Service erbracht haben, dafür aber kostengünstiger wirtschaften konnten.

Vor allem diese drei Komponenten haben zur schlechten strukturellen Entwicklung der Klein- und Dienstleistungsgewerbe beigetragen. Besonders ungünstig ist die Entwicklung in Wien verlaufen, wo zwischen 1969 und 1980 die Zahl der Betriebe um fast 50 Prozent oder um mehr als

9.0 Einheiten abgenommen hat.

Zwischen 1969 und 1980 gingen

35.0 Arbeitsplätze verloren, das ist genau ein Drittel der 1969 verfügbaren Arbeitsplätze. Während die Wertschöpfung in den Betrieben nominell nur um 59 Prozent ausgeweitet werden konnte, nahmen die Personalaufwendungen um 122 Prozent und die Investitionskosten sogar um 215 Prozent zu.

Als Ertragsindikator wird — oft mangels anderer Unterlagen — die „Restquote“ angesehen. Sie stellt die Differenz zwischen der im Betrieb erbrachten Wertschöpfung und den Personal- und Investitionskosten dar. Diese Restquote ist von 1969 bis 1981 nominell insgesamt nur um 9,4 Prozent gestiegen. Während 1969 nur 56 Prozent der Betriebsleistung für Personal und Investitionen aufgewendet ‘ werden mußten, waren es 1980 bereits 84 Prozent.

Die Restquote ist sogar gesunken, wenn man sie in Relation zur Beschäftigtenzahl setzt: Im Wiener Klein- und Dienstleistungsgewerbe erbringt ein unselbständig Erwerbstätiger 1980 eine Wertschöpfung von 208.000 Schilling, während die anteiligen Personalaufwendungen 163.000 und die Investitionskosten 38.000 Schilling betragen. Insgesamt verbleiben dem Unternehmen so-

mit 7.000 Schilling pro Beschäftigtem.

Die Restquote kann als Indikator für die Rentabilität der Beschäftigten gelten. Sie ist in vielen Sparten des Klein- und Dienstleistungsgewerbes so gering, daß viele Betriebe auf die Beschäftigung von Mitarbeitern verzichten und nur von der Leistung der Unternehmer selbst leben. Die beschriebene Ertragssituation und die entsprechenden Verdienstmöglichkeiten für Gewerbetreibende stellen sicher keinen Anreiz für junge Menschen dar, sich selbständig zu machen.

Mit dem Rückgang der gewerblichen Betriebszahlen hat das Serviceangebot spürbar abgenommen, weil die industrielle Fertigung auf der einen Seite und die Konsumgroßmärkte auf der anderen Seite den Konsumentenwünschen keineswegs in allen Bereichen gerecht werden können.

In der Nahversorgung hat die Verdrängung des Gewerbes und ebenso der kleinen Handelsgeschäfte zu einer spürbaren Unterversorgung geführt und zum Teil die Renaissance der Klein- und Mittelbetriebe bewirkt. Diese Renaissance muß jedoch von Maßnahmen der öffentlichen Hand begleitet werden, um die Fehler der Vergangenheit zumindest teilweise zu kompensieren.

Voraussetzung für eine vernünftige Gewerbepolitik wäre eine Vereinfachung aller das Gewerbe betreffenden Gesetze und Verordnungen. In der Steuerpolitik wäre eine Verstärkung der indirekten Förderung wünschens-

wert, weil die direkte Förderung ihrerseits wieder großen Verwaltungsaufwand mit sich bringt. Auch müßte die Besteuerung der Gewerbebetriebe noch stärker als bisher auf die stark schwankende Gewinnsituation Rücksicht nehmen und besser als derzeit die Aufrechnung von Gewinnen und Verlusten ermöglichen.

Eine wesentliche Hilfestellung für Gewerbebetriebe könnten Forschungsanstalten abgeben, die auf dem Gebiet der technologischen Entwicklung sowie der Marktforschung tätig sind. Sowohl technologische Fragen als auch Marktforschungsprobleme können in kleinen Betrieben aus strukturellen Gründen derzeit nur selten effizient behandelt werden, weil dem Kleinbetrieb selbst die nötigen Spezialisten nicht unmittelbar zur Verfügung stehen.

Die Strukturpolitik der öffentlichen Hand hat dem Gewerbe in den letzten Jahren schwer geschadet. Es können daher durchaus Maßnahmen erwartet werden, die Fehler der Vergangenheit zu bereinigen. Nicht nur im Interesse der Gewerbetreibenden, sondern vor allem auch im Interesse der Konsumenten.

Mag. Paul Windisch ist Leiter der Abteilung Vorstandssekretariat und Volkswirtschaft in DER ERSTEN. In dieser Funktion hat er eine Reihe von Studien zur gewerblichen Entwicklung in Österreich verfaßt.

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