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Kleine Unternehmen stärker fördern!

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Anfang der siebziger Jahre hat man geglaubt, daß eine Modernisierung und Verbesserung der österreichischen Wirtschaft nur über eine Forcierung der Großbetriebe möglich sei. Jetzt hat man erkannt, daß die Arbeitsplätze in Klein- und Mittelbetrieben besser gesichert sind und diese Betriebe sich besser in wirtschaftlich schwierigen Zeiten anpassen können.

So wurde auch im Parlament ein Mittelstandsgesetz gemeinsam von ÖVP und SPO beschlossen, in dem erstmals die Bedeu-

tung der Marktwirtschaft und einer Vielzahl von kleineren und mittleren Betrieben gesetzlich anerkannt wird.

Trotz Anerkennung der Leistung der kleineren und mittleren Betriebe erfolgt weiterhin eine deutliche Bevorzugung der Großbetriebe bei der staatlichen Wirtschaftsförderung.

So wurden z. B. bei der dreiprozentigen Zinsstützungsaktion in den Jahren 1978 bis 1981 über 50 Prozent der Mittel an die verstaatlichten Großbetriebe geleitet, obwohl ihr Anteil an der Gesamtindustrie knapp ein Viertel beträgt. Die konkrete Praxis hinkt den verbalen Einsichten nach.

Die ungleiche Behandlung zeigt sich sehr deutlich bei Meinungsumfragen: 83 Prozent der Bevölkerung sind der Meinung, daß sich der Staat in wirtschaftlich schwierigen Zeiten mehr um Großbetriebe kümmert. Aber nur 20 Prozent der Bevölkerung finden dies richtig. 59 Prozent finden diese ungleiche Behandlung falsch.

Dabei haben die Klein- und Mittelbetriebe in der Rezession besser reagiert als die Großbetriebe. Im Rezessionsjahr 1975 hat die Beschäftigung in den Industriebetrieben mit 20 Beschäftigten um 0,1 Prozent zugenommen.

In Betrieben mit 100 bis 250 Beschäftigten hat die Beschäftigtenzahl um sieben Prozent abgenommen, in Industriebetrieben mit über 1000 Beschäftigten sogar um neun Prozent.

Seit 1973, dem Höhepunkt der Industrialisierung in Österreich, sind über zehn Prozent der Industriearbeitsplätze verlorengegan

gen, nämlich rund 70.000. In der gleichen Zeit hat das Gewerbe seinen Beschäftigtenstand halten und der Handel, der Fremdenverkehr und andere Dienstleistungsbereiche ihren Beschäftigtenstand erweitern können.

Die Entindustrialisierung wurde durch eine Expansion des klein- und mittelbetrieblich strukturierten Dienstleistungssektors aufgefangen.

Der Vorteil von Klein- und Mittelbetrieben liegt in ihrer hohen Marktflexibilität, in ihrer raschen Anpassungsfähigkeit, in ihrer unbürokratischen Organisationsstruktur, in der geringeren Auseinandersetzung zwischen Kapital und Arbeit und in der größeren Identifikation der Unternehmer und der Arbeitnehmer.

Vom rein quantitativen Beitrag

zur Arbeitsplatzbeschaffung abgesehen, ist auch der qualitative Beitrag der Klein- und Mittelbetriebe zu berücksichtigen. Bekanntlich sind es vor allem ungeschulte Arbeitskräfte, die am raschesten und am längsten arbeitslos werden.

Hingegen gibt es in den Ballungsgebieten nach wie vor eine starke Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften. Die Ausbildung qualifizierter Arbeitskräfte erfolgt jedoch überwiegend in kleineren Betrieben.

Das zeigt sich sehr deutlich an der Zahl der Lehrlinge: Uber 50 Prozent der Lehrlinge erhalten ihre Ausbildung im Gewerbe, 29 Prozent im Handel, 11 Prozent im Verkehr und im Fremdenverkehr und bloß 16. Prozent in der Industrie. Gerade die Bewältigung des

Lehrlingsangebotes hat die außerordentliche Flexibilität der Klein- und Mittelbetriebe bewiesen.

Neben ihrem Beitrag zur Sicherung der Beschäftigung tragen Klein- und Mittelbetriebe auch in erheblichem Maß zur Verbesserung des sozialen Klimas bei: durch höhere Zufriedenheit am Arbeitsplatz, durch Vergrößerung der Wahlmöglichkeiten und der Zahl der Entscheidungen und durch eine stärkere Mitverantwortung und Identifikation.

Nach einer Mikrozensuserhebung des Österreichischen Statistischen Zentralamtes sind in Betrieben bis 50 Beschäftigte 40 Prozent der Leute zufrieden bzw. sehr zufrieden. In Großbetrieben mit mehr als 500 Beschäftigten beträgt dieser Wert nur 35 Prozent.

Es ist daher nur recht und billig, von der Wirtschaftspolitik zu verlangen, daß die wirtschaftliche Förderung weder Groß- noch Kleinbetriebe bevorzugt, sondern daß allen Betrieben — unabhängig von ihrer Eigentümerstruktur und ihrer Betriebsgröße — gleiche Entwicklungschancen geboten werden.

Auszug aus einem Vortrag, den Dr. Christian Festa, Leiter der stat. Abteilung der Bundeswirtschaftskammer, im Rahmen d. Intern. Symposiums 1982 der Osterr. Ges. für Land- und Forstwirtschaftspolitik gehalten hat.

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