6889891-1979_42_02.jpg
Digital In Arbeit

Kleinere Kirche lebendigere Gemeinden

Werbung
Werbung
Werbung

Engagement - d. h. in Dienst genommen werden, sich in Dienst nehmen lassen. Wenn dieser „Dienstherr“ die Kirchenführung ist, liegt es nahe, einige Reflexionen zu „Kirche“ zu machen; sie können auch nicht ganz vom Rande her kommen. Das „Diensttun“ in dieser Kirche- das sei vorweg gesagt - war und ist eine faszinierende Existenzweise.

Es begann in einer verfolgten, einer leidenden Kirche. Kirchlicher Dienst war in den Augen der Welt nicht angesehen. Engagieren konnte man sich nur in kleinen Bereichen und Versuchen (von denen heute allerdings nicht wenige als tragend erkannt werden). Alles das geschah in „Einheit“, in Zusammenarbeit, in Begegnung mit vielen bedeutenden Theologen und einer immer größer werdenden Zahl von Katholiken, die ihren Glauben reflektieren wollten.

Der Glaube, Glied am Leibe Christi zu sein, gab damals Durchhaltevermögen. So konnten auch die unausdenkbaren Leiden vieler Christen einen „Sinn“ bekommen. Vom dunklen Vers des Kolosserbriefes (1,24) her, daß der Apostel sich der Leiden „freut“, weil er mit ihnen „ergänzen“ kann, was den Leiden Christi noch „abgeht“ für seinen Leib, die Kirche, wurde - bleibend -

das Denken über das Engagement in der Kirche differenziert.

In den vierziger Jahren wurde auch eine alte Weisheit der Frühzeit wieder bewußt: Kirche dürfe nicht nur als eine unzerstörbar heilige in ihrem Herrn, sondern müsse zugleich als eine zu allen Zeiten sündige in uns gesehen werden.

Dann war die Kirche wieder in Freiheit, ein für den Wiederaufbau zunächst wichtiger Faktor. Nicht ganz vorbereitet und die Christen zu wenig vorbereitend, fand sie sich bald in einer Bil- dungs-, Leistungs- und Wohlstandsgesellschaft vor, in einer klein gewordenen Welt, in der - heute weiß man es - Christentum nur mehr solidarisch gelebt werden kann.

Und schließlich das Konzil und seine Folgen: Noch nie in der Geschichte hat die Kirche so viel über sich selbst nachgedacht. Die Kirche lebt gefährlich, konnte man damals meinen, sie erkannte sich als „Mysterium“, als „Zeichen“ für die ganze Menschheit, sie trat in den Dialog mit allen: in der eigenen Kirche, mit den christlichen Kirchen, mit den Weltreligionen, mit den Atheisten, mit allen Menschen.

Das bedeutete für sehr viele Christen einen ungeheuren Wandel, auch in ihrer ganz persönlichen Existenz. Sie waren nicht darauf vorbereitet, was sie für Konsequenzen haben kann, daß Kirche grundsätzlich eine geschichtliche Größe ist, d. h. daß sie in Treue ihre unveräußerliche Botschaft auch in einer sich unglaublich rasch wandelnden Welt und pluralistischen Gesellschaft verständlich zu verkünden hat.

Die Kirche ist „kleiner“ geworden und weniger einflußreich. Aber sie hat lebendigere Gemeinden, von der Mitverantwortung vieler getragen. Ihre Glaubwürdigkeit muß sie durch das Zeugnis erweisen. Viele denken nach, was es heute heißen könne, „anders zu leberf1, das heißt dem Evangelium gemäß: in dieser konkreten Welt, aber ohne sich ihr gleichzumachen.

Und es gibt radikale Versuche von einzelnen, von Familien, von Gruppen. Glauben kann heute in eine so ungewisse innerweltliche Zukunft hinein nur gelebt werden, in dem Maß die Christen überzeugt sind, daß sie in Christus den festesten Stand haben können.

Es gilt wieder einen persönlichen Rhythmus von Arbeit und Gebet zu finden, Sinn für Realität und Phantasie, Geduld bei Rückschlägen und noch nicht vorhandenen Lösungen, Freude äm kleinen Wachstum, Achten des je individuellen Weges, Bekenntnis zur christlichen Ehe und Familie, Liebe zu den als radikal erkennbaren Berufungen zum Priestertum, zum Ordensstand. Person ist vor Sache zu schätzen, Gemeindedienst darf nicht gegen die sachkundige Weltverantwortung ausgespielt werden.

Der neue Lebens- und Verkündigungsstil des Papstes allerdings läßt die Welt aufhorchen, beeindruckt die Jugend. Es täuscht wohl nicht, daß Kirche wieder in einem größeren Horizont in Sicht kommt. Keiner kann daran vorbeihören, daß es diesem Papst um den Menschen geht, der von Gott geliebt wird.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung