7057723-1991_24_05.jpg
Digital In Arbeit

Klestil: Fakten zählen, nicht die Moral

19451960198020002020

Der vor kurzem veröffentlichte außenpolitische Bericht 1990, der elfte in Form eines Buches, strahlt Optimismus aus. Trotz vieler Risken - so Außenminister Mock im Vorwort - überwiegen die Chancen, „nun zu einer besseren Weltordnung zu gelangen”.

19451960198020002020

Der vor kurzem veröffentlichte außenpolitische Bericht 1990, der elfte in Form eines Buches, strahlt Optimismus aus. Trotz vieler Risken - so Außenminister Mock im Vorwort - überwiegen die Chancen, „nun zu einer besseren Weltordnung zu gelangen”.

Werbung
Werbung
Werbung

Europa- und Nachbarschaftspolitik beherrschen den Hauptteil des außenpolitischen Resümees für 1990. Die nationalen Konflikte in den Nachbarländern - allen voran Jugoslawien - waren noch nicht in dem Ausmaß vorhersehbar, in dem sie heute Österreichs Außenpolitik beschäftigen und die Bevölkerung via Medien ängstigen; schon eher die vornehme Zurückhaltung Brüssels gegenüber Österreichs EG-Ambitionen.

So liest sich die Auflistung des von Österreich und Europa 1990 Erreichten - Abkommen über konventionelle Abrüstung, Pariser Charta, demokratische Wahlen in Österreichs östlichen Nachbarstaaten - wie die Erfolgsbilanz eines Unternehmens. Hinsichtlich Jugoslawiens setzt der Bericht noch auf die demokratische Vorreiterrolle Kroatiens und Sloweniens. Bezüglich der EG-Mitgliedschaft rechnet sich Österreich Chancen aus, Teil einer politischen Solidar- und Friedensgemeinschaft zu werden. Viel Raum wird den regionalen Zusammenschlüssen - Pentagonale, Arge Alpen-Adria, Arge Alp, Arge-Donauländer - eingeräumt. Die durch „bessere regionale Koordination” auf verschiedenen Gebieten entstehenden „konkreten Synergieeffekte” - so die Wunschvorstellung des Berichts -binden, bei aller Nützlichkeit des Regionalismus als Protest gegen hochnäsigen Zentralismus, als Spielwiese vielleicht doch wichtige Energien auf dem Weg zum EG-Europa.

Ausgeblendet wird das größte Handicap der österreichischen Außenpolitik, die kaum vorhandene Akzeptanz von Bundespräsident Kurt Waldheim in der westlichen Wertegemeinschaft. Nach Thomas Klestil, Generalsekretär im Außenamt, ist das Thema Waldheim ein „Faktum, das jede Woche als Problem auftaucht”. Nicht die Absage der Expo '95 durch Wählerwillen - im außenpolitischen Bericht wird dem Großereignis naturgemäß noch Raum gewährt - habe Österreich Schaden zugefügt, das sei der Welt „wurscht”. „Was ihr aber nicht wurscht ist, ist die Frage, ob Waldheim wieder kandidieren wird.”

Klestil wünscht sich einen gemeinsamen Kandidaten von SPÖ und ÖVP. Seiner Meinung nach haben sich die Anzeichen für eine Wiederkandidatur Waldheims verstärkt. „Niemand will sich international mit Waldheim etwas antun”, so der Generalsekretär. „Natürlich ist alles ungerecht, schädigend und eine Schweinerei, aber in der Außenpolitik gibt's keine Moral, sondern nur Realitäten.” Und die Fakten seien nicht gerecht, aber eben Fakten, die Österreich zur Kenntnis nehmen müsse. Ideal wäre für Klestil, wie er scherzhaft anmerkt, so eine Art englische Königin, die brav vom Blatt liest, was man ihr vorgibt.

Königin oder Nobelpreisträger

Diesbezüglich trifft er sich in etwa mit Staatssekretär Peter Jankowitsch, der sich auch einen gemeinsamen SPÖ-ÖVP-Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl vorstellen kann. Jankowitsch zur FURCHE: „Ideal wäre ein Nobelpreisträger wie Konrad Lorenz, aber der ist ja leider schon tot”.

Klestil hat jüngst Kontakte mit Israel aufgenommen, dessen getrübtes Verhältnis zu Österreich der außenpolitische Bericht bedauert. Klestil wertet seine von Jerusalem gewünschte Reise als Versuch Israels, eine Gesprächsbasis mit einem europäischen Land' wiederherzustellen. Pessimistisch bewertet er den Nahostfriedens-prozeß, alle palästinensischen Gesprächspartner hätten ihm gegenüber beteuert, daß sich die Situation jüngst eher verschlechtert habe. Klestil wörtlich: „Ich habe mir von den Nachgolf-kriegsplänen eigentlich mehr erwartet.”

Jugoslawien ist für Österreich zu einer Art wunder Punkt geworden. Diesbezüglich driften außenpolitische Bestrebungen in Österreich etwas auseinander. Außenminister Mock ist dem slowenischen Ministerpräsidenten Lojze Peterle, was die Frage der Anerkennung eines unabhängigen Sloweniens seitens Österreichs betrifft, weit entgegengekommen. Klestil warnt vor Anerkennungshandlungen. Der Generalsekretär hat „nichts gegen technische Hilfen und Vermittlung von Know-how”, will aber nicht, daß sich beispielsweise die Nationalbank in Finanzangelegenheiten Sloweniens helfend einmischt. Bundeskanzler Franz Vranitzky rede heute bezüglich Jugoslawiens anders als noch vor einem Monat, auch die EG habe sich etwas gewandelt. Den Serben habe international geschadet, daß die Rotation beim Präsidentenamt nicht eingehalten worden sei.

Jankowitsch meinte gegenüber der FURGHE, daß sich Österreich gewisser Beschränkungen gegenüber Jugoslawien bewußt sein müsse, beispielsweise sei die Beziehung zu Serbien historisch belastet. Für ihn gelte es, richtige Signale bezüglich eines politischen Krisenmanagements zu geben und ein wirtschaftliches Krisenmanagement mit möglicherweise drastischen Maßnahmen zu entwickeln. Am Wochenende wird die SPÖ auf ihrem Parteitag in Linz zum Thema Jugoslawien unter dem Titel „Wir dürfen Jugoslawien nicht alleine lassen” diskutieren.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung