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Klostemeuburger Ansichten und Aussichten

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Es ist kein Zufall, wenn sich alte Städte- und Landschaftsansichten unter bestimmten Zeitumständen plötzlich steigender Beliebtheit erfreuen - Moden haben Ursachen, die denen, die „mit der Mode gehen”, sehr oft verborgen bleiben. Wie heute, so wurden auch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, also in der Blütezeit der Aufklärung, „alte Ansichten” plötzlich ungeheuer populär. Floridus Böhrig, Augustiner- Chorherr im Stift Klosterneuburg, führt in seinem 1973 erschienenen Werk „Klosterneuburg in alten Ansichten” diese damals wie heute so starke Vorliebe auf eine gemeinsame Wurzel zurück. Deutet sie als stillen Protest gegen einen notorisch geschichtsfeindlichen Zeitgeist, aber auch als Flucht in einen heilgebliebenen Lebensraum, als - freilich keineswegs begrüßenswerte - Kapitulation vor der jeweiligen Gegenwart.

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Es ist kein Zufall, wenn sich alte Städte- und Landschaftsansichten unter bestimmten Zeitumständen plötzlich steigender Beliebtheit erfreuen - Moden haben Ursachen, die denen, die „mit der Mode gehen”, sehr oft verborgen bleiben. Wie heute, so wurden auch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, also in der Blütezeit der Aufklärung, „alte Ansichten” plötzlich ungeheuer populär. Floridus Böhrig, Augustiner- Chorherr im Stift Klosterneuburg, führt in seinem 1973 erschienenen Werk „Klosterneuburg in alten Ansichten” diese damals wie heute so starke Vorliebe auf eine gemeinsame Wurzel zurück. Deutet sie als stillen Protest gegen einen notorisch geschichtsfeindlichen Zeitgeist, aber auch als Flucht in einen heilgebliebenen Lebensraum, als - freilich keineswegs begrüßenswerte - Kapitulation vor der jeweiligen Gegenwart.

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Der Aufklärung folgte die Romantik- „auch heute”, so Röhrig, „deuten schon manche Anzeichen auf eine ähnliche Reaktion hin”. Die Beschäftigung mit alten Ansichten müsse aber nicht notwendigerweise Fluchtcharakter haben - man kann aus ihnen auch lernen, „wie gut frühere Jahrhunderte ihrö Bauten der Landschaft anzupassen wußten, mit welcher Sicherheit sie städtebauliche Akzente setzten und harmonischen Lebensraum zu schaffen vermochten. Es wäre durchaus nicht abwegig, aus alten Bildern entsprechende Lehren für die Gegenwart zu ziehen, doch spürt man wenig Bereitschaft dazu.” Und etwas weiter unten: „Der Reiz dieser Reise in die Vergangenheit ist um so größer, je enger der topographische Bereich der Bilder gezogen’ist.”

Ein solcher „enger topographischer Bereich” ist zweifellos Klosterneuburg. Dazu aber kommt: Durch seine historische Bedeutung, seine Lage in der Nachbarschaft Wiens, die Schönheit seiner Bauten und seine landschaftlichen Reize fordert Klosterneuburg die Künstler seit vielen Jahrhunderten kontinuierlich heraus, sich mit ihm zu beschäftigen. In der Darstellung des Chorherm wird die Geschichte Klosterneuburgs als Objekt künstlerischer Bemühungen vom frü hen Mittelalter bis Egon Schiele zum Querschnitt durch die mitteleuropäische Landschafts- und Vedutenmalerei, denn der Autor beschränkt sich nicht auf die in den Sammlungen des Stiftes vorhandenen Bestände, berücksichtigt als hervorragender Kenner des diesbezüglichen Materials Klosterneuburg-Darstellungen der österreichischen Galerie, der Akademie der Bildenden Künste, des Historischen Museums der Stadt Wien, der Albertina, des niederösterreichischen Landesmuseums, des Stadtmuseums Klosterneuburg, aber auch mehrerer Privatsammlungen.

Das Stift selbst besitzt naturgemäß nur einen winzigen Bruchteil der Kunstwerke, auf denen es dargestellt erscheint - die wissenschaftliche Erfassung und Katalogisierung der in Klosterneuburg vorhandenen Graphiken mit Klosterneuburg als Thema ist eines von mehreren wissenschaftlichen Arbeitsvorhaben, die derzeit im Stift realisiert werden und über die hier ein Überblick geboten werden soll. Mit dieser Spezialaufgabe beschäftigt sich Albert Mitringer, der von 1945 bis 1950 die Wiener Städtischen Büchereien geleitet hat und von 1950 bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1974 Direktor der Wiener Stadtbibliothek war. Der promovierte Literaturwissenschaftler Mitringer hat unter anderem eine der staatlichen Prüfung für wissenschaftliche Bibliothekare entsprechende Qualifikation im Wiener Bibliotheksdienst initiiert, sich fast zwei Jahrzehnte lang als Di- rektionsrats-Vorsitzender um die Wiener Symphoniker verdient gemacht und sich auch als Dichter betätigt (siehe Kasten auf dieser Seite!).

Die Klosterneuburger Sammlung der Klosterneuburg darstellenden Kunstwerke aller Epochen, die nun katalogisiert werden, umfaßt rund 300 Positionen, vorwiegend Drucke, und konnte im letzten Jahrzehnt erheblich ausgebaut werden. Am stolzesten ist Floridus Röhrig, der dem Museum, der Bibliothek (wo ihn Bibliotheksassistent Karl Neuzil unterstützt) und dem Archiv vorsteht, auf ein Aquarell von Rudolf von Alt, das günstig erworben werden konnte und das den gotischen Doppelerker des heutigen Archivgebäudes darstellt - einen der schönsten gotischen Profanbauten Österreichs übrigens, der einst als Unterkunft für Gäste diente und 1852 zur Aufnahme der Stiftsschule völlig neu adaptiert wurde, was zur vollständigen Zerstörung der alten Innenräume führte. Der Doppelerker faszinierte auch andere Künstler, vor allem aber Rudolf von Alt, er hat ihn auf drei Aquarellen, einem besonders reizvollen Ölgemälde und einer seiner spärlichen Radierungen dargestellt.

In den Räumen hinter diesem Doppelerker ist seit Jahren eine Arbeit im Gange, deren Konsequenzen noch kaum ganz abzuschätzen sind. Es handelt sich um die Neuordnung und vollständige Katalogisierung der bisher nur zum kleinsten Teil wissenschaftlich erschlossenen Archivbestände nach Personen und Schlagworten. Die Bedeutung der Klostemeuburger Archivalien für die Lokalgeschichte vor allem der westlichen Wiener Bezirke ist heute nur einem relativ kleinen Kreis bekannt - dem Umfang nach durchaus mit einem kleineren Landesarchiv vergleichbar, enthalten sie eine Fülle von Material über die westlichen Außenbezirke vor 1848, die jahrhundertelang der Oberhoheit der Klostemeuburger Grundherrschaft unterstanden.

Als Bibliotheksassistent des Stiftes ist der Historiker Doktor Johann Oman mit einem kleinen Stab emsiger Damen damit befaßt, Polizei- und grundbücherliche Akten, wirtschaftsgeschichtliches Material, aber auch bislang unerschlossene Dokumente, die durchaus die Biographie der einen oder anderen Persönlichkeit ergänzen können, aufzuarbeiten. Voraussetzung für die Inangriffnahme dieses aufwendigenüntemehmens war die Schaffung neuer Archivräume, die in drei Geschossen, mit modernsten, auf Schienen laufenden Spezialregalen ausgestattet, sozusagen ein Maximum an Ordnung bei Komprimierung des Papiers auf minimalem Raum gestatten.

Geplant ist ferner eine Neukatalogisierung der gesamten Museumsbestände, die erst in Angriff genommen werden muß - bereits gearbeitet wird hingegen am schwierigen Unterfangen einer wissenschaftlichen Katalogisierung der Klostemeuburger Handschriften aller österreichischen Kloster- und Stiftsbibliotheken. In Kremsmünster ist diese Arbeit bereits vollendet, in Klosterneuburg, Zwettl und Sankt Peter (Salzburg) sind Wissenschaftler damit beschäftigt, in Klosterneuburg Alois Haidinger - die vor zwei Jahren begonnene Arbeit wird angesichts von 1200 Handschriften, deren Daten 12 Katalogbände füllen werden, noch mehrere Jahre dauern.

Ein anderes, sehr bedeutendes Projekt harrt unterdes seiner Realisierung: Die Restaurierung der Stiftsgebäude muß 1985 fertiggestellt sein - termingerecht zur 500-Jahr-Feier der Heiligsprechung des niederösterreichischen Landespatrons. Aus diesem Anlaß soll in Klosterneuburg eine große Landesausstellung stattfm- den…

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