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Kloster und Festung

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Unser Nachbarland, die Tschechoslowa- kei, ist reich an Sakralbauten: Kirchen und Klöstern. Von besonderem Interesse sind in Südböhmen das ehemalige Zi- sterzienserstift Hohenfurt und in der Slo- wakei die alte Bischofsstadt Trnava (Tyr- nau): Peter Soukup stellt vor.

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Unser Nachbarland, die Tschechoslowa- kei, ist reich an Sakralbauten: Kirchen und Klöstern. Von besonderem Interesse sind in Südböhmen das ehemalige Zi- sterzienserstift Hohenfurt und in der Slo- wakei die alte Bischofsstadt Trnava (Tyr- nau): Peter Soukup stellt vor.

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Wenige Kilometer moldauab- wärts der Stammburg sei- ner Väter ließ der Wittigone Wok (er nannte sich später Rosenberg) im Jahre 1259 über einer breiten Furt das Zisterzienserstift Hohen- furt (VySSf Brod, lateinisch Altova- dum) errichten.

Die Zisterzienser waren begehrte Kolonisatoren und Bewahrer von Kultur und Wissenschaft. Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß nur vier Jahre später in der Nähe von Krumau eine weitere Zister- zienserabtei gegründet wurde, dies- mal vom Böhmenkönig Przemysl Ottokar II. persönlich: Goldenkron (Zlata Koruna).

Das Kloster Hohenfurt wurde vom oberösterreichischen Wilhe- ring besiedelt. Zahlreiche Hand- schriften in der Stiftsbibliothek weisen noch auf die Zeit der Be- siedlung hin. Das Kloster wurde als wehrhafte Anlage errichtet, mit festungsähnlichen Mauern und Rundtürmen.

Da Hohenfurt von den Hussiten- kriegen fast völlig unberührt blieb, konnten sowohl Baubestand wie auch Kunstwerke und Kunstsamm- lungen über die Jahrhunderte hin- weg erhalten bleiben. Natürlich wurden der Zeit entsprechend Um- und Zubauten vorgenommen, in der Renaissance- wie in der Barock- zeit.

Zuletzt wurde im Jahre 1904 vom Linzer Baumeister Franz Schiftha- ler der Stiftseingang und der West- flügel im neugotischen Stil errich- tet. Stift Hohenfurt ist heute zur Gänze ein Museum.

Die Stiftsapotheke wurde behut- sam in eine Verwaltungsstelle des denkmalgeschützten Komplexes umgebaut, ohne daß das Aussehen oder die mittelalterliche Umgebung darunter leidet. Der Name des Stif- tes ist in die europäische Kunstge- schichte eingegangen. Bis 1938 besaß Hohenfurt eine der bedeu- tendsten Schöpfungen der Tafel- malerei aus dem Hochmittelalter. Der Hohenfurter Altar, auch be- kannt unter dem Titel „Hohenfur- ter Heilzyklus", wurde 1938 verla- gert und befindet sich heute in der Prager Nationalgalerie.

Der Meister dieser neun Tafeln ist namentlich unbekannt geblie- ben. Wo seine Werkstätte stand, hat man nie erfahren. Man vermu- tet sie im südböhmischen Raum. Die Tafeln dürften für einen Flü- gelaltar als Teil eines Größeren be- stimmt gewesen sein. Sicher ist, daß die Art der Darstellung und der Malerei viele Nachahmer gefunden hat und daß der Meister des Hohen- furter Altars um die Mitte des 14. Jahrhunderts für das gesamte böh- mische Kunstschaffen größte Be- deutung erlangte.

Auf der Tafel mit der Geburts- szene Jesu sehen wir die Figur eines knieenden Adeligen in der rechten unteren Ecke. Er hebt anbetend das Modell einer Kirche der Madonna mit dem Kind entgegen. Der Mann ist prächtig gekleidet, mit weitem hermelinbesetzten Mantel, zu sei- nen Füßen einen Wappenschild mit der fünfblättrigen Rose. Höchst- wahrscheinlich handelt es sich bei dieser Darstellung um den Oberst- kämmerer des Böhmischen Königs, Peter von Rosenberg (gestorben am 14. Oktober 1347), der maßgeblich an der Fertigstellung der von sei- nen Vorfahren gestifteten Kloster- kirche beteiligt war.

Ebenfalls aus Hohenfurt stammt auch eine Altartafel mit der Kreu- zigungsszene, wahrscheinlich aus der Schule des Meisters von Wit- tingau. Das Bild ist um 1380 ent- standen und befindet sich im Origi- nal in der Prager Nationalgalerie. In der byzantinischen Kapelle des Presbyteriums (Chorkapelle der Konventskirche) befindet sich die Kopie eines Tafelbildes mit der Darstellung der Gottesmutter mit dem Jesuskind. (Original ebenfalls in der Prager Nationalgalerie.) Mit diesem Bild hat es eine besondere Bewandtnis: Die „Hohenfurter Gnadenmadonna" ist wahrschein- lich das älteste Beispiel der im 15. Jahrhundert erstmals auftretenden volkstümlichen Version der Madon- na, bei der das Ikonenhafte besei- tigt und dem menschlich-mütterli- chen (die Muttergottes schlägt die Augen liebevoll zu ihrem Kind nie- der) der Vorzug gegeben wurde.

Wen die Kunst nicht erschöpft hat, der kann sich durch die Füh- rung noch viele historische Details vermitteln lassen, wie zum Beispiel warum der unglückliche Zawisch von Falkenstein dem Stift einige Jahre vor seiner Hinrichtung ein byzantinisches Kreuz aus dem 8. Jahrhundert vermachte, warum sich die Rosenberger in der Stifts- kirche bestatten ließen und nur der letzte von ihnen, Peter Vok von Rosenberg, im Kapitelsaal seine letzte Ruhe fand (gestorben am 6. November 1611).

Es gibt auch deutschsprachige Führungen (zumeist mit Unterla- gen in Deutsch): Dienstag von zehn bis 17 Uhr, Einlaß bis etwa 15 Uhr 45, Montag bleibt geschlossen.

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