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Kluge Klangvirtuosen

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Am 28. März feiern die Wiener Philharmoniker das Jubiläum ihres 150jährigen Bestehens. Seit 1860 gibt es „Philharmonische Konzerte", deren Besonderheit ist, daß ein Opernorchester regelmäßig symphonische Konzerte bestreitet.

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Am 28. März feiern die Wiener Philharmoniker das Jubiläum ihres 150jährigen Bestehens. Seit 1860 gibt es „Philharmonische Konzerte", deren Besonderheit ist, daß ein Opernorchester regelmäßig symphonische Konzerte bestreitet.

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In einem Triumphzug ziehen die Wiener Philharmoniker durch die Welt: Ihre Festkonzerte in Paris mußten zwar wegen Carlos Kleibers schwerer Erkrankung abgesagt werden. Umso größer war aber der Erfolg in New York: Die Wiener Philharmoniker und der umworbene Dirigent Lorin Maazel luden in die ehrwürdige Carnegie-Hall, wo das „weitbeste Orchester" seinen 150. Geburtstag im Rahmen der „Woche der Wiener Philharmoniker in New York" feierte.

Wie es sich gehört, scharten die Botschafter der Musik bei diesem Fest (auch zum Wohle Österreichs) Namen um sich. Amerikanische und europäische Prominenz kam angereist, von Amerikas Ex-Außenminister Henry Kissinger, Vertretern der Diplomatie, der UNO und der Hochfinanz bis zu Österreichs prominentestem Architekten Hans Hollein.

Nach Herbert von Karajan und Claudio Abbado hätte eigentlich Leonard Bernstein diese Konzerte leiten sollen. Nach dessen Tod luden die „Wiener" jedoch Lorin Maazel ein, der bereits im vorigen Jahr mit seiner konzertanten Aufführung der „Elektra" von Richard Strauss einen Triumph gefeiert hatte. Erneut erwies sich das Orchester als brillanter „Diplomat": Den im Krach von Wien gegangenen Opernchef Maazel holen die „Wiener" als ihren Dirigenten wieder zurück. Ein philharmonisches Konzert hat er in Wien bereits dirigiert.

Nun legten die Philharmoniker Maazel zu Ehren dem New Yorker Programmheft ein silbernes Huldigungsblatt bei, auf dem sie ihm für 30 Jahre wunderbarer Zusammenarbeit dankten. Die Begeisterung der kühlen New Yorker nach dem Abend, auf dessen Programm Richard Strauss' „Rosenkavalier"-Suite und „Till Eulenspiegel" neben einer sehr breit musizierten Dritten Symphonie von Brahms standen, hat die Bindungen noch enger geknüpft. Daß Maazel den Weg zurück an die Staatsoper finden wird, ist eine Frage der Zeit.

Carnegie-Hall-Konzerte sind Fixpunkte im Musikleben New Yorks: Monate vorher waren die beiden Konzerte der „Wiener" trotz eines Riesenangebots an Musik mit Riccar-do Muti, Seiji Ozawa, Leonard Slat-kin, Wolfgang Sawallisch und ihren Spitzenorchestern ausverkauft. Und die beiden Konzerte mit Brahms, Strauss, Mozart und Gustav Mahlers , .Fünfter" waren - auch wenn der, .New York Times"-Kritiker programmiert feindselig ätzte - Sternstunden, die mit Bravo-Rufen gefeiert wurden.

Dieser Siegeszug der „Wiener" wird unter dem Römer Giuseppe Sinopoli in der kommenden Woche in Tokio, Osaka und anderen japanischen Städten weitergehen. Schon Japans Musikindustrie hat das größte Interesse, daß das Fest mit den „Wienern" als Spitzenereignis gefeiert wird.

Keine Frage, Wiens Paradeorchester präsentiert sich zu seinem 150. Geburtstag in glanzvollem Zustand. Weit glanzvoller jedenfalls als etwa das Konkurrenzunternehmen, die Berliner Philharmoniker, die zur Zeit unter Claudio Abbado aus ihrer kritischen Verfassung herauszukommen trachten.

150 Jahre bedeuten aber keine weihrauchschwangeren Feierstunden mit Nabelbeschau. Im Orchester, in dem junge Musiker in vielen Gruppen den Ton angeben, ist die Auseinandersetzung mit akuten Problemen an der Tagesordnung.

Mögen da die Diskussionen um die Schwierigkeiten bei der Bewahrung des „Wiener Klanges", etwa bei den Hörnern und bei den Oboen, weitergehen, mag es immer wieder auch hitzige Diskussionen um eine offenere Politik in den Programmen oder gegenüber interessanten jungen Dirigenten geben - in ihrer Selbstdarstellung sind die Wiener Philharmoniker der Paradefall, wie ein Orchester der Weltelite mit kluger, umsichtiger Politik seinen internationalen Status verteidigen kann.

Entscheidende Schritte in ihrer Politik mit der behutsamen Abkehr vom neuen Konkurrenten Claudio Abbado und einer demonstrativen Zuwendung zum Mailänder Scala-Chef Riccardo Muti mögen zwar nicht ganz nach Art der Orchester-Diplomaten gewesen sein. Aber sie, die zugleich die „Königsmacher" in der Dirigentenriege der Staatsoper sind, haben damit nach dem Abgang Abbados aus dem Haus am Ring vor allem auch einen Grundstein für die Zukunft gelegt.

Wenn Muti und Carlos Kleiber und Zubin Mehta wieder an der Staatsoper dirigieren werden, so ist das auch ein Verdienst der Philharmoniker, die -Operndirektoren mögen das noch so oft abstreiten - ihre Politik zu machen versuchen. Und damit auch ihre Spitzenstellung im internationalen CD-und Videogeschäft verteidigen.

Kontakte zu Abbado pflegen sie in ihren Konzerten, Plattenaufnahmen und bei den Salzburger Festspielen ohnedies. Andere Künstler, die Abbado als Musikdirektor der Staatsoper eher ausgesperrt hat, haben sie jetzt neu- oder wiedergewonnen. Und das ist gut so.

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