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Koalieren
Was die angebliche Sehnsucht der Bürger nach einer neuen Regierung betrifft, sagte der CSU-Vorsitzende Theo Waigel beruhigend: "Ja - aber die Freude der Menschen auf Weihnachten ist noch größer!"
Der Gipfel der politischen Glückseligkeit wäre natürlich für Deutsche wie Österreicher: Weihnachten und eine neue Regierung. Das wäre eine Be-scherung! Aber man kann halt im Leben nicht alles haben.
Für Euch Österreicher stellt sich ja das Terminproblem bei der Regierungsbildung eher von der Frage her: Was sollen Eure Parteien eigentlich danach noch machen, wenn sie keine Koalitionsverhandlungen mehr führen können? Einfach nur vor sich hin regieren -das ist doch stinkfad! Noch dazu in einem Land, das an Sachpolitik gar kein Interesse hat, weil doch Personalpolitik viel lustiger ist.
Nun nehmt Euch einmal den größten und gewichtigsten Kanzler aller Deutschen zum Vorbild! Wir wollen zügige Ko-alitionsverhandlungen, sagt er, aber wir lassen uns nicht unter Zeitdruck setzen. Wie ich ihn kenne, hat er bereits eine zu 90 Prozent fertige Kabinettsliste in der Tasche, wenn er die Partner nach ihren Wünschen fragt.
Zu Beginn aller Koalitions-gespräche sagen unsere FDP-Politiker regelmäßig: "Für uns Liberale geht es nicht um Posten, sondern um die Lösung von Sachfragen." Die wichtigsten Sachfragen für die gesamtdeutsch gestärkte FDP sind diesmal: Genscher muß Außenminister bleiben, die FDP wieder den Wirtschaftsminister stellen und nachdem von den bisherigen vier Ministern zwei wegen überzeugender Unfähigkeit ausscheiden, hat sie Anspruch auf mindestens drei neue.
Die CSU war bisher mit sechs Ministern überrepräsentiert und ist schon zufrieden, wenn sie noch vier bekommt. Außerdem hat sie aus dieser Erfahrung etwas gelernt, was Eure ÖVP immer noch nicht begriffen hat: Ein schwacher Minister schadet für die nächste Wahl mehr als zwei zu wenig. Und der Inhalt einer Flasche wird nicht dadurch besser, daß man ihr ein Etikett "Kabinett" aufpappt.
Das Wichtigste, was die CSU bei den Koalitionsverhandlungen erreichen will, ist zugleich das Wichtigste, was die FDP zu verhindern sucht: ein sozialeres Wohnungsbau- und Mietrecht, eine europäische Anpassung des Asylrechts im Grundgesetz und eine Verbesserung der inneren Sicherheit durch schärfere Polizei-Instrumente gegen organisiertes Verbrechen und Drogenkriminalität.
Die CSU will laut Waigel "das soziale Gewissen" der Koalition sein, weshalb die FDP sich bereits gegen solche "Gewissensbisse" wehrt. Der einzige Lichtblick für Kohl ist seine brave CDU. Die hat noch nie gewußt, was sie will.
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