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Können wir uns Androsch noch leisten?

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Der teuerste Finanzminister, den Österreich jemals hatte, war wieder einmal vom Glück begünstigt: Die Nachricht von der Geiselbefreiung in Mogadischu verdrängte seine Budgetrede von der ersten Seite der meisten Zeitungen, und die neue Budgetkatastrophe ging beinahe unbemerkt über die Bühne.

Im letzten Weltkrieg wurde kolportiert, der Unterschied zwischen einem Deutschen und einem Österreicher bestehe darin, daß von ersterem eine unangenehme Situation für ernst, aber nicht hoffnungslos angesehen werde, von letzterem hingegen für hoffnungslos, aber nicht ernst. In diesem Sinn ist Androsch ein guter Österreicher: Emst war seine Budgetrede wirklich nicht. Die tristen Fakten waren in faustdicken Optimismus verpackt, sie wurden gewissermaßen als Schnadahüpfl gesungen, und die Zahlenakrobatik, mit deren Hilfe der von keinen Minderwertigkeitskomplexen genierte Hannes die glänzenden Erfolge seiner Budgetpolitik ,,bewies”, war kabarettreif.

Hoffnungslos ist es offenbar hingegen, von ihm und der Bundesregierung eine Realisierung des wiederholt gegebenen feierlichen Versprechens größerer Sparsamkeit zu erwarten. Denn die Gesamtausgaben werden laut Voranschlag für 1978 abermals um 11,1 Prozent ansteigen. Allerdings: Von 1976 auf 1977 stiegen sie um 11,8 Prozent. Wer unbedingt will, kann daher aus der homöopathischen Reduzierung dieses Prozentsatzes den beredten Ausdruck eines unbändigen Sparwillens herauslesen.

In absoluten Zahlen ausgedrückt, erhöhen sich die Gesamtausgaben um rund 27 Milliarden (von 140,77 auf 267,49) - also um ungefähr das Doppelte jener 14,5 Milliarden Schilling, welche nach neuesten Berechnungen des Finanzministers nun das „Sanierungsopfer” bringen soll, jenes Sanierungsopfer, das neben Steuererhöhungen auch vermehrte Sozialabgaben und die Ausplünderung des Familienlastenausgleichsfonds bringen soll.

Wie die FURCHE bereits in ihrer letzten Ausgabe festgestellt hat, werden die neuen Lasten, so schwer sie sind, das Budgetdefizit - kaum nennenswert verringern. Und so ist es auch: das - präliminierte - Defizit geht lediglich von 43,55 Milliarden Schilling (1977) auf 40,43 Milliarden - also um ganze 3,12 Milliarden - zurück. Zugegeben, dies war nicht schwer zu erraten. Ohne „Sanierungsopfer” wäre das Budgetdefizit bereits im Voranschlag um mehr als elf Milliarden höher.

Dazu kommt noch, daß das tatsächliche Defizit am Ende jedes Jahres seit mehreren Jahren das präliminierte immer massiv übertrifft. In diesem Jahr soll - immer laut Androsch - die Überschreitung „nur” drei Milliarden ausmachen. Ob das stimmt, wird allerdings erst der Rechnungsabschluß zeigen. Wenn aber die Diskrepanz in diesem Jahr wirklich geringer sein sollte, als wir es jetzt bereits seit Jahren gewohnt sind, so nicht so sehr, weil im Vorjahr exakter und realistische! prognostiziert worden wäre, sondern vielmehr infolge der budgetpolitischen „Feuerwehrmaßnahmen” im August und infolge des umsatzsteuerträchtigen - konjunktur- und außenhandelspolitisch aber völlig verkehrten - Einkaufsbooms gegen Jahresende, ausgelöst durch die bevorstehende Luxussteuer.

Ob 1978 das tatsächliche Defizit dem prognostizierten entsprechen wird, ist sehr zweifelhaft Die Einnahmenschatzungen des Finanzministers basieren auf der Erwartung eines realen Wirtschaftswachstums von 2 bis 2,5 Prozent. Das Wirtschaftsforschungsinstitut, welchem man ja sicherlich keinen exzessiven Pessimismus nachsagen kann, prognostizierte vor kurzem lediglich ein Wachstum von 1,5 Prozent. Sollte sich der Finanzminister im kommenden Jahr wieder einmal „geirrt” haben, kartn er sich nicht mehr auf die falschen Prognosen der Konjunkturforscher ausreden.

Die Gesamteinnahmen sollen laut Budgetentwurf von 197,21 Milliarden in diesem Jahr auf227,07 Milliarden im kommenden Jahr ansteigen, also um rund 30 Milliarden oder 15,1 Prozent (gegenüber 10 Prozent von 1976 auf 1977). Dieses Vorauseilen vor der Ausgabensteigerung um vier Prozent ist einerseits dem „Sanierungsopfer”, anderseits der durch Inflation plus Progression bedingten automatischen Erhöhung der direkten Steuern zu „verdanken”. Aus diesem Grunde ist auch ein besonders kräftiger Anstieg bei der Einkommensteuer (plus 24,8 Prozent) und bei der Lohnsteuer (plus 24.1 Prozent) präliminiert. Mit anderen Worten: Unsere Steuern werden im kommenden Jahr im Durchschnitt um nicht weniger als ein Viertel höher sein als in diesem Jahr.

Ein stärkerer prozentueller Anstieg als bei diesen beiden Positionen wird nur noch bei den Stempelgebühren erwartet, nämlich um 39,9 Prozent (nach nicht weniger als 72,3 Prozent in diesem Jahr), aber diese sind mit einem Präliminare von 3,4 Milliarden ein „kleiner Fisch” im Vergleich mit den 21,21 Milliarden Einkommensteuer und 50,87 Milliarden Lohnsteuer.

Trotz „Sanierungsopfer” ist von Sanierung weit und breit keine Spur zu entdecken. Ohne echte Ausgabenbremse ist eben eine Budgetsanierung unmöglich - und sie wird auch durch weitere noch so brutale Steuerhinauf- setzungen nicht gelingen.

So aber kann es nicht weitergehen. Dies beweist allein schon die Tatsache, daß von den 40,6 Milliarden Defizit im kommenden Jahr nicht weniger als 16.1 Milliarden oder 40 Prozent auf Schuldentilgung und Zinsendienst aufgewendet werden müssen. Hier droht Österreich sehr bald kreditunwürdig zu werden. Eine Finanzpolitik ä la Androsch - dies spi ganz objektiv und unemotional festgestellt - können wir uns jedenfalls nicht mehr lang leisten.

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