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Kokoschka-Zeichnungen am Kapitol

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Oskar Kokoschka ist im Kapitol in Rom gelandet. Dort wurde in der prunkvollen „Sala degli Orazi e Curiazi" des Konservatorenpalastes kürzlich eine von der Stadt Rom organisierte Ausstellung „Oskar Kokoschka, die Reisen nach Italien 1948-1963" eröffnet.

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Oskar Kokoschka ist im Kapitol in Rom gelandet. Dort wurde in der prunkvollen „Sala degli Orazi e Curiazi" des Konservatorenpalastes kürzlich eine von der Stadt Rom organisierte Ausstellung „Oskar Kokoschka, die Reisen nach Italien 1948-1963" eröffnet.

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Anhand von neunzig zum Großteil unveröffentlichten, von seiner Frau, Olda Kokoschka, zur Verfügung gestellten Zeichnungen, kann man den archäologischen und künstlerischen Weg verfolgen, auf dem Kokoschka auch die Kunst der Vergangenheit studieren und verstehen wollte.

Dabei ist es höchst aufschlußreich zu verfolgen, daß im Werke eines der wichtigsten Vertreter der Avantgarde, dessen Kunst oft alle traditionellen Regeln der Bildlichkeit über den Haufen warf, soviele Hinweise auf Werke der klassischen Antike, der Renaissance und das Barock zu finden sind. Ende der vierziger Jahre, als man in dem vom Krieg zerstörten Europa an den Wiederaufbau dachte, begann Kokoschka seine Italien- und Griechenlandreisen, als ob er in der Wiege der Klassik seine humanistische Berufung festigen wollte. Während seiner ersten Italienreisen, die 1913 in Begleitung von Alma Mahler begannen, bis zu seinem Aufenthalt in Rapallo im Jahre 1933, hat er sich möglicherweise an den mediterranen Landschaften inspiriert, aber er machte keine Aufzeichnungen, was seine Witwe Olda Kokoschka bestätigt.

„Sein Interesse für die Antike kam ziemlich spät, die Italienreisen vor dem Krieg hatten überhaupt keinen

Einfluß auf seine Arbeit. Als wir nach dem Krieg monatelang in Italien weilten, arbeitete er nur für sich. Er hatte das Gefühl, daß er beim Zeichnen ein Kunstwerk und dessen Schöpfer genau kennenlernen würde", sagt sie.

Auf die Frage, welchen Stellenwert diese Zeichnungen zur Antike wohl im Werke Kokoschkas hätten, meint

Olda Kokoschka: „Vom Standpunkt des Publikums oder der Kunstgeschichte kann ich das nicht beurteilen, aber für mich haben sie einen großen Wert, da ich immer dabei war. Ich beschäftige mich auch sehr viel mit diesen Skizzenbüchern, da er wollte, daß sie beisammenbleiben. Wenn ich einmal verschwinde, kommen die meisten in öffentliche Samm-

lungen. Viele werden in die Sammlung der Albertina eingehen, allerdings nicht diese, die man hier im Kapitol sieht. Er zeichnete sie nur zu seiner eigenen Freude, ohne jeden Druck, ohne sie irgendwie verwenden zu müssen."

Das ersieht man auch daran, daß keine der Skizzen später für ein Gemälde verwendet wurde, sie also nicht

als Vorbereitungsarbeiten zu betrachten sind, sondern eher als systematisches Tagebuch, so wie es die Literaten der Vergangenheit bei ihrer damals obligaten „Italienreise" führten.

Petersdom, Kolosseum, Forum

Für die noch bis 1. November zu sehende Ausstellung wurden Skizzenbücher gewählt, die 1949 in Rom, zwischen 1948 und 1957 in Florenz, dann in verschiedenen Städten des Südens, in Neapel, Paestum, Pompeji, in Palermo und Tarent entstanden sind. Die Zeichnungen sind mit Farbstiften hergestellt, da es, wie der Künstler damals erklärte, gleich nach dem Krieg kein anderes Material gab. Man sieht Ausschnitte von Zeremonien im Petersdom, Veduten vom Kolosseum und vom Forum Roma-num, Details der Fontana di Trevi und der Fontana dei Fiumi auf der Piazza Navona.

Berührend sind die Skizzen der berühmten Sklaven von Michelangelo, denen Kokoschka besondere Aufmerksamkeit widmete, sowie der Reiterstatue des Marc Aurel, die damals noch auf ihrem Sockel in der Mitte des Platzes am Kapitol stand und die der Künstler von verschiedenen Seiten her studierte und festhielt. Nur leise angedeutet, mit wenigen Farbstiftstrichen sind die weiblichen Figuren der Villa dei Misteri in den Ruinen von Pompeji.

Italien hatte also einen großen Reiz für Oskar Kokoschka, was auch aus einem Interview aus dem Jahre 1960 hervorgeht, bei dem er jungen Leuten, die sich vom Gewicht der italienischen Tradition erdrückt fühlten, den Rat gab, sie sollten ihre Muskeln stärken und es ertragen.

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