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Koma

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Hausbesuch bei einem 84jähri-gen relativ rüstigen alten Herrn. Seine Tochter will ihn in ein Pflegeheim der Gemeinde Wien geben.

„Ich kann Ihren Vater aber nur auf die lange Warteliste setzen. Es besteht objektiv kein Grund ihn sofort einzuweisen..."

„Wenn ich einmal die offizielle Bewilligung von Ihnen habe, dann findet sich das weitere schon. Lassen Sie das nur meine Sorge sein, Frau Doktor..."

Ich fange langsam an zu verstehen und frage naiv freundlich: „Was kostet denn ein Bett in diesem Pflegeheim?" - „2.000 Schillinge, Frau Doktor."

Ich mache einen Bericht an meine Vorgesetzten. Meine Obrigkeit ist böse mit mir: „Sie überschreiten Ihre Kompetenzen, Frau Doktor, Sie haben keine „suggestiven" Fragen zu stellen. Ihre Aufgabe ist, die Altersheimfälle in dringende und weniger dringende Fälle einzustufen. Für alles weitere sorgen

Bakschisch

Hochverehrte Frau Doktor! Sie haben hundert-, nein, tausendmal recht! Aber wer traut sich schon als Zeuge gegen Leute aufzutreten, die man braucht?! Und die Ärzte braucht man immer wieder, leider! Meine Nachbarin ist schwer krebskrank. Sie leidet - ohne Spritze -fürchterliche Schmerzen. Täglich kommt ihr „Hausarzt". Erbekommt den Krankenschein und auch noch für jeden Besuch 100 Schilling, die er von dieser Pensioni&tin unge niert einsteckt. „Die Schmerzen sind so fürchterlich, daß ich ihm gerne auch noch mehr geben würde, nur um sicher zu sein, daß er kommt..." sagte die Krebskranke zu mir. Fallweise ist die Patientin im Spital. Sie hat dort ein Bett „reserviert", denn sie zahlt brav - der kleinsten Schwester wie dem Oberarzt, der pro Woche mindestens einen Tausender von ihr bekommt..."

Adele S. Februar 1974

Ich frage Maria W., eine 76jähri-ge Rentnerin: „Was geben Sie denn Ihrem Arzt für einen Hausbesuch?"-Sie (verlegen): „Halt 30 Schilling Trinkgeld jedes Mal. Zu mehr reicht es nicht!" - „Und er nimmt das von Ihnen? Obwohl er doch sieht wie arm Sie sind!" - „Und wie er's nimmt..."

Auf unserer Station sind wir sechs Diplom- und vier Hilfsschwestern," erzählt mir die Diplomschwester und lächelt. Ich kenne sie schon lange und weiß: Diese junge Frau übt ihren Beruf - seit Jahren ist sie auf einer internen Station im Raum Wien tätig - gerne aus. Zunächst erzählt sie von ihrer Diensteinteilung: „Wir machen abwechselnd Dienst: Zwölf Stunden Tag-, zwölf Stunden Nachtdienst, ein Tag zum Ausschlafen, ein Tag frei."

Wie spielt sich nun der Dienst ab? Im Tagdienst erledigt eine Stationsschwester alles Administrative - von sieben bis drei Uhr. Sie geht bei der Visite mit, regelt die Entlassungen,

Von CHRISTOF GASPARI

bringt Patienten in Heimen unter. Eine Diplomschwester versieht Hauptdienst und zwei, (selten) drei Schwestern versehen Dienst bei den Kranken. Mein erster Gedanke: Das ist doch viel zu wenig Personal, sind doch 30 Zimmerbetten und bis zu sechs Gangpatienten zu betreuen. „In der Nachbarabteilung haben sie sogar über 40 Patienten," klärt mich meine Gesprächspartnerin auf.

Bei Krankheiten und in der Urlaubszeit bricht dann die Katastrophe aus. „Ich bin schon oft angerufen worden: Bitte komm', es ist niemand da!" Oft müssen Schwesternschülerinnen einspringen.

Und was müssen die Schwestern alles erledigen? Hauptdienst bedeutet: Spritzen geben, an Infusionen hängen und viel Administratives: „Ich bereite alles vor, was der Arzt für den Patienten tun muß. Auch alles, was bei der Visite besprochen wird, ist umzusetzen, Untersuchungen müssen angemeldet werden..." Mit dieser Tätigkeit ist eine Schwester voll ausgelastet. „Nach einem Hauptdienst bin ich geistig total ausgelaugt, muß ich mir doch für alle Patienten merken, was wann mit ihnen geschehen soll, muß alle Krankheitsbilder wissen."

Und was bedeutet Dienst an den Patienten? Zunächst Waschen. „Manchmal sind zehn Patienten zu waschen." Dann Frühstück austeilen. Wer nicht selbst essen kann, dem ist zu helfen. Mit einigen Patienten muß man aufs Klo gehen. Nach dem Frühstück wird weitergewaschen, anschließend werden die Betten gemacht. „Oft ist man schon fertig, wenn man nur alle Patienten gewaschen und die Betten gemacht hat." Diese Tätigkeiten sind nämlich auch immer wieder zu unterbrechen. Die Schwestern werden dringend gerufen.

Dann sind Therapien durchzuführen: Einreibungen, Wickel, Verbände abnehmen und anlegen... Zu

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