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Kommerz und Intrigen

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Mit Karajan und Solti und vor allem mit Freibier, pardon: einem Gratisumtrunk, den Salzburgs Popularitätsjäger Nummer 1, Maximilian Schell, nach seinem Gratis-„Jedermann“ kredenzen ließ, gingen die Salzburger Festspiele 1978 zu Ende. Ein Festspielsommer, dem das Spektakuläre, die Opernsensationen, auch der gesellschaftliche Glanz fehlte. Statt daß große Persönlichkeiten den Ton angegeben hätten, durfte die liebe Schell- Familie ungeschoren Werbung in eigener Sache, via TV und auch sonst, treiben, weil die Stars vom Kaliber eines Curd Jürgens oder Strehler entweder nicht in Salzburg waren oder, wie Karajan, sich mehr denn je im Hintergrund hielten.

Abgesehen von den attraktiven Konzerten und Aufführungen wie der Ponnelle-„Zauberflöte“ und Karajans „Salome“ und „Don Carlos“ oder den rechten Pleiten wie dem Ponnelle- „Don Giovanni“ und dem Dohnanyi- „Rosenkavalier“ hat sich hinter den Kulissen doch manches getan, was verdient, angemerkt zu werden. Denn was sich jetzt halb ereignet und halb mit System gespielt wird, wird in den nächsten Jahren Salzburgs Festspiele prägen.

Da ist einmal die Beerdigung der geistlichen Oper und der Barockoper. Endlich ist den Festspielgewaltigen gelungen, zu beweisen, daß dergleichen nur Plunder sein kann. Mit Everdings und Ponnelles „Sant-Alessio“- Produktion traten sie denn auch heuer noch einmal spielend den Beweis an. Demnächst lassen sie das liebevoll gepflegte Monster mangels Publikumsinteresses in der Versenkung verschwinden. Und können argumentieren, daß diese Art von Spektakel, die mit Paumgartners und Grafs „Rap- presentatione“-Inszenierung so erfolgreich begonnen hatte, nicht lebensfähig sei. Die kostspielige Barockoper ist in Salzburg tot. Kommerzträchtigeres soll in Hinkunft die Kassen klingeln lassen.

Bei diesem Geschäftsdenken wundere ich mich allerdings, daß die Würfel in Sachen des neuen Generalsekretärs so rasch gefallen sind. Dr. Otto Sertl, bisher Musikchef des ORF-Hör- funks und engagierter Streiter für neue Musik (!), übersiedelt 1979 in die Hofstallgasse, auf den Sessel des scheidenden Festspieldirektors Nekola. Der neue „General“, den - wie man hört - Karajan selbst durchgedrückt haben soll, wird den Salzburgern hoffentlich kein allzu bequemer Gesprächspartner sein.

Natürlich ist er Diplomat, der hier kein Porzellan zerschlagen will. Und auch Festspielpräsident Kaut betont immer und überall, daß der neue Mann am Geschäftsruder sich schließlich den Programmvorstellungen des Direktoriums fügen müsse. Aber daß Sertl auch seine Ideen hat und für neue Wege und neue Akzente zu sorgen gewillt ist, zeigen erste Meldungen, die den Kommerztigem im Festspielhaus bereits Schrecken einjagen: Opernuraufführungen von Cerhas „Baal“ und Luciano Berios „Der König horcht“ sind vertraglich fixiert. Dazu der Protestkommentar eines Mächtigen der Direktionsetage: „Das leere Haus zu füllen, werd’ ich aber keinen Finger rühren!“

Auch sonst beginnt ein großes Umkrempeln und Tauziehen: Weil etwa Dr. Karl Böhm in Hinkunft nicht mehr mehrere Opernproduktionen betreuen kann, werden neue Kräfte geholt. Claudio Abbado und Lorin Maazel sollen Oper dirigieren, der eine wahrscheinlich „Maskenball“, der andere Mozarts „Entführung“. Und auch mit James Levine sucht man noch intensivere Kontakte.

Im Hintergrund aber zeichnen sich schon erste politische Auseinandersetzungen ab, wer das Erbe des Präsidenten Kąut zugeschanzt bekommt: Gerd Bacher oder Ex-Landeshaupt- mann Lechner? Und da Kaut schwört, nicht so schnell zu gehen, holen bereits einzelne Medienvertreter zu Sticheleien oder sogar wohlgezielten offenen Angriffen aus. Das Festspielpräsiden- ten-Nachfolgegerangel ist also auch bereits im Gange. Sage noch einer, daß im kühlen, unspektakulären Festspielsommer des Jahres 1978 nichts geschehen sei!

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