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Kommt der Krieg ?

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Altbundeskanzler Bruno Kreisky hält einen neuen Weltkrieg für wahrscheinlich und hat das am 18. Mai auch offen gesagt — aber das hört man in Österreich, wo es um die Prozentsätze der Sparbuchzinsensteuer geht, weder gern noch überhaupt.

Gekleidet war die pessimistische Aussage des abgetretenen Regierungschefs in die Antwort auf eine Frage beim ORF-Symposion über Menschenrechte (FURCHE Nr. 21), ob die jetzige Militärpolitik der Regierung Reagan der Abrüstung wirklich diene. Nein, meinte Kreisky, das Streben nach militärischer Überlegenheit bewirke nur, „daß der kommende Krieg rascher kommt“:

Eine beklemmende Vision, die gewiß nicht alle teilen. Aber auch das weltweit diskutierte Hirtenwort der US-Bischöfe weist das Streben nach militärischer Überlegenheit mit großer Entschiedenheit zurück.

Amerikas katholische Bischöfe — konkret: 239 der 288 Oberhirten der US-Bischofskonferenz - lassen das Abschreckungsmotiv für einen begrenzten Zeitraum (noch) gelten, argumentieren aber durchaus logisch, dafür genüge ein „genügend großes“ Waffenarsenal, während Vormachtstreben die Risken nur erhöhe.

Dieser Hirtenbrief — eines von vielen Bischofsworten zum Thema Frieden in aller Welt, aber naturgemäß das am meisten beachtete- ist auch unter Amerikas Katholiken nicht unumstritten. Laut einer Gallup-Umfrage waren im Vorjahr 53 Prozent der katholischen US-Amerikaner gegen ein einseitiges „Einfrieren“ der US- Kernwaffenarsenale, was die Bischöfe ausdrücklich nun gefordert haben.

In den einzelnen Diözesen gibt es gleichfalls beträchtliche Differenzen, die bisweilen auch die persönlichen” Auffassungen der jeweiligen Bischöfe widerspiegeln. Einige von ihnen gehen noch weiter, als was das beschlossene Dokument enthält. Erzbischof John R. Quinn von San Franzisko etwa schlug vor, Katholiken in der US-Armee sollten sich weigern, je einen nuklearen Sprengsatz zu zünden.

Umgekehrt hat nicht nur Univ.- Prof. David O”Brien vom Holy Cross College in Worcester (Massachusetts) den Bischöfen Widerstand von Laienseite prophezeit,

„wenn sie fortfahren, den Katholiken genau vorzuschreiben, was diese tun sollen“.

Hier manifestiert sich dasselbe Dilemma, das auch in der europäischen Friedensdebatte nicht länger ignoriert werden kann: Kaum hat das Konzil (unter dem Beifall gerade „progressiver“ Katholiken) dem Klerus die Seelsorge und den katholischen Laien den Weltdienst zugeordnet, wird der Ruf nach „klaren“, „konkreten“ Bischofsworten zu Fragen der Politik immer lauter.

Mehrere Gruppen haben ja auch in Österreich den Bischofsaufruf zum Frieden als zu allgemein und unverbindlich kritisiert. Dabei sollte man freilich nicht vergessen, daß der Episkopat eines neutralen Landes mit eindeutig defensiv konzipierter Militärpolitik zu weniger Konkretheit gehalten ist als die Bischofskonferenz einer Weltmacht.

Ebenso selbstverständlich ist, daß sich Bischöfe, je konkreter sie in politischen Aussagen werden, um so eher inner- wie außerkirchlicher Kritik zu stellen haben. Denn auch für sie gilt dann der Grundsatz der Pastoralkonstitu- tion „Gaudium et spes“ (Nr. 43),

daß Christen bei der Beurteilung politischer Fragen zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen und einzelne Gruppen dann nicht für sich die Autorität „der Kirche“ in Anspruch nehmen können.

Wichtig bleibt, daß die Kirche zu den Existenzfragen der Menschheit kühn”, mutig und auch risikobereit Stellung bezieht — einschließlich des Risikos der Fehleinschätzung und des Irrtums. Und es gibt heute keine wichtigere Existenzfrage als die der Bewahrung der Menschheit vor Selbstausrottung. Ein Ausbrechen aus eingefahrenen Denkgeleisen ist unverzichtbar.

Ein solcher Ausbruch ist freilich auch in der Politik unverzichtbar. Es mochte manchen Teilnehmern am ORF-Religions- symposion schmeicheln, daß Altbundeskanzler Kreisky auch bemerkte, die Menschenrechte seien bei den Politikern erfahrungsgemäß schlecht, bei den Religionsgemeinschaften viel besser aufgehoben.

Klingt schmusewollig, aber befriedigt in keiner Weise. Ist es nicht endlich an der Zeit, daß auch Politiker sich der Menschenrechte mehr annehmen? Wollen sie das wirklich Wichtige den Bischöfen überlassen und ihre Zeit, Kraft und Nerven nur dem Taktieren um bessere Startpositionen für Wahlen oder (anderswo in der Welt) Staatsstreiche widmen? Frieden durch den Papst, Renten und Straßenbau von Politikern?

Das wäre eine armselige Abdankung der Politik und eine unzumutbare Überforderung der Kirchen. Frieden, der ohne Gerechtigkeit und Freiheit, ohne Achtung fundamentaler Menschenrechte unmöglich ist, kann nur durch die gemeinsame Anstrengung aller Schritt für Schritt ein bißchen nähergebracht werden.

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