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Kommt eine „Kleine Eiszeit”?

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Ein US-Satellit, der vor zwei Jahren in eine Umlaufbahn um die Erde geschossen wurde und Messungen der Sonnenenergie anstellte, meldet seither ein ständiges Sinken der solaren Energiestrahlung. Richard C. Willson vom „Jet Propulsion La-boratory” in Kalifornien stellte fest, daß die Strahlungsenergie der Sonne in der Zeit vom Start des Satelliten bis August 1981 um ein Zehntel Prozent gesunken sei.

Im Vergleich zur Gesamtenergie, die von der Sonne ausgeht, ist dieser Betrag zwar gering, im Hinblick auf das empfindliche irdische Ökosystem könnte diese Änderung der Strahlungsenergie jedoch zu signifikanten Einflüssen auf unseren Planeten führen.

Im 16. Jahrhundert hatte die Abnahme der Sonnenstrahlung um 0,5 Prozent zu einer markanten und drei Jahrhunderte andauernden kalten Klimaperiode geführt, die als „Kleine Eiszeit” bezeichnet wird. Sie dauerte von 1530 bis 1850 und zeichnete sich durch eine Häufung kalter Winter und kühler Sommer aus. Sie führte in Europa zu Mißernten und einem katastrophalen wirtschaftlichen Rückgang.

Das Klima der Erde ist seit 1880 nachweisbar wärmer geworden. Der Eintritt schlechterer Klimabedingungen hätte eine verringerte Weltnahrungsproduktion zur Folge, ausgerechnet in jenen Jahrzehnten, in denen die Bevölkerungsexplosion zu bewältigen ist.

Nicht nur das tägliche Wetter ist Schwankungen unterworfen. auch das Klima, der mittlere Zustand der Atmosphäre, neigt zu Veränderungen. Die ganz großen Klimaschwankungen spielen sich in Zeiträumen von 100.000 und mehr Jahren ab.

Diese großklimatischen Perioden wechseln zwischen Eiszeiten und Zwischeneiszeiten. Die letzte Eiszeit ist vor 10.000 Jahren zu Ende gegangen. Augenblicklich leben wir, verglichen mit früheren großklimatischen Perioden, im ersten Stadium einer Zwischeneiszeit. J C

Uber Klima Schwankungen von der Länge etwa eines Menschenlebens kann man genaue Einblik-ke erhalten, seit es instrumenteile Meßdaten gibt, das ist seit mehr als 200 Jahren. Zieht man alle zur Verfügung stehenden Beobachtungen heran, kann festgestellt werden, daß die mittlere Temperatur der Nordhemisphäre von 1880 bis 1940 im Endeffekt angestiegen ist

Die Erwärmung ist nicht kontinuierlich erfolgt, sondern unter starkem Hin- und Herpendeln. In der Summe beträgt die Zunahme der mittleren Temperatur der nördlichen Hemisphäre von 1880 bis 1940 plus 1,1 Grad.

Seither nimmt die Temperatur wieder ab, wenn auch nur um wenige Zehntel Grad und immer wieder unterbrochen durch Erwärmungen. Die Rückkehr zu wieder kälteren Klimabedingungen, etwa zu jenen vor der Jahrhundertwende, scheint evident zu sein.

Die Erwärmung unserer Erde von 1880 bis 1940 und die darauffolgende Abkühlung ab 1940 bis wahrscheinlich zum Jahre 2000 entspricht dem natürlichen Klimazyklus. Es besteht aber auch die Möglichkeit, daß die atmosphärischen Bedingungen durch Eingriffe verändert werden.

In unserem Jahrhundert hat die industrielle Tätigkeit des Menschen einen sehr großen Umfang angenommen. Von Jahrzehnt zu Jahrzehnt wird mehr Kohle, Mineralöl und Erdgas verbraucht und verbrannt. Dieser Prozeß produziert laufend mehr künstliches, durch die Tätigkeit des Menschen erzeugtes Kohlendioxyd.

Die Kohlendioxydkonzentrati-on der Atmosphäre betrug im Jahre 1850 265 bis 270, im Jahre 1978 335 Millionstel Gewichtsanteile. Modelle der Kohlendioxydbilanz rechnen mit einem Ansteigen des atmosphärischen Kohlendioxydgehalts um einen Faktor drei bis fünf, ja bis zu acht im Laufe der nächsten 200 Jahre.

Vermehrtes Kohlendioxyd verstärkt die sogenannte „Glashauswirkung” der Atmosphäre. Durch sie wird die Temperatur an der Erdoberfläche merklich erhöht.

Klimaänderungsmodelle ergeben, unter Berücksichtigung der steigenden Kohlendioxydkon-zentration, eine Erwärmung der globalen Atmosphäre bis zum Jahre 2000 gegenüber den siebziger Jahren um 0,6 Grad. Der Abkühlung, die sich aus der seit 1940 festgestellten natürlichen Klimaschwankung ergibt, wirkt der erwärmende Effekt des zunehmenden Kohlendioxyd-Gehalts der Atmosphäre deutlich entgegen.

Im Zuge der natürlichen Klimaschwankung würde in den kommenden Jahrzehnten wahrscheinlich eine Rückkehr zu den Klimabedingungen vor 1880 eintreten, wenn nicht der Mensch (unbewußt) in diesen natürlichen Klimazyklus eingriffe.

Hofrat Dr. Leopold Kletter war Leiter der Wetterabteilung der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik in Wien.

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