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Kommt Honecker?

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Im Herbst will Erich Honecker eines seiner beiden Ämter abgeben. Als möglicher Nachfolger ist der junge SED-Funktionär Egon Krenz im Gespräch. Er gilt als gemäßigt.

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Im Herbst will Erich Honecker eines seiner beiden Ämter abgeben. Als möglicher Nachfolger ist der junge SED-Funktionär Egon Krenz im Gespräch. Er gilt als gemäßigt.

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Bei den Begräbnisfeierlichkeiten in Stockholm für den tragisch umgekommenen schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme saßen sie einträchtig nebeneinander: Bundeskanzler Helmut Kohl und der DDR-Staatsratsvorsitzende und SED-Generalsekretär Erich Honecker. Freundliche Vertrautheit zwischen den politischen Repräsentanten beider deutschen Staaten wurde dem Fernsehzuschauer vermittelt, die aur durch das etwas traurig wirkende Gesicht Fred Sinowatz', der iwischen den beiden in der zweiten Reihe zu sehen war, etwas Abbruch erhielt.

Sofort stürzten sich die Berichterstatter auf die schon lange die Bundesdeutschen bewegende Frage: Kommt Honecker? Persönliche Treffen zwischen deutschen Bundeskanzlern und Repräsentanten der DDR hat es seit der Begegnung zwischen Willy Brandt und dem DDR-Ministerpräsidenten Willi Stoph in regelmäßigen Abständen immer gegeben. Jedoch zwischen Helmut Kohl und Erich Honecker fanden solche nur am Rande von Begräbnissen statt.

Eine offizielle Visite Honeckers in der Bundesrepublik, von ihm sicherlich gewünscht, ist bislang an zwei Dingen gescheitert: Im vergangenen Jahr war es bereits fast schon soweit, jedoch dürfte der Besuch aller Wahrscheinlichkeit auf Druck Moskaus gescheitert sein. Die durch den rasch abfolgenden Tod dreier Generalsekretäre der KPdSU hervorgerufene politische Lähmung des Kremls dürfte nach dem letzten sowjetischen Parteitag endgültig überwunden sein, so daß von die« ser Seite kaum Hindernisse in den Weg gelegt werden, soferne nichts Gravierendes passiert.

Im zweiten war und ist noch immer nicht die Statusfrage Honek-kers in der Bundesrepublik ausdiskutiert. Bonn anerkennt nur eine deutsche Staatsbürgerschaft und keine solche der DDR. Trotz verschiedener Verträge, die zwischen der Bundesrepublik und der DDR herrschen, ist protokollarisch und völkerrechtlich der DDR-Staatsratsvorsitzende für Bonn nicht Staatsoberhaupt der DDR. Wenn nun Honecker kommt, wie soll er empfangen werden? Diese Frage scheint nur oberflächlich eine protokollarische zu sein, in Wirklichkeit ist sie von eminent politischer Brisanz.

Die bisherigen Vorbereitungen zum Honeckerbesuch sparten auch einen Empfang auf dem Gebiet der Bundeshauptstadt Bonn aus, und Honecker, dem an guten Beziehungen zur Bundesrepublik sehr gelegen ist, übte diesbezüglich Zurückhaltung.

Nachdem nun die Kontakte auf Regierungs- und Stäatsober-hauptsebene mit Problemen behaftet sind, hat sich nun in gewissem Sinne eine „Nebenaußenpolitik“ zur DDR auf der Ebene der Länder oder der Parteien, im besonderen der SPD, herauskristallisiert. Diese pflegt Kontakte auf Parteiebene zur SED, ungeachtet der Tatsache, daß es 1968 40 Jahre her sind, daß in der damaligen sowjetisch besetzten Zone nicht zuletzt auf Druck Moskaus SPD und KPD zur SED vereinigt wurden, wobei damals die SPD der Westzonen unter der Führung Kurt Schuhmachers scharf dagegen war. So war vor kurzem der Präsident der Volkskammer Sindermann, dem „Parlament“ der DDR, auf Einladung der SPD in Bonn und wurde auch vom Bundestagspräsidenten Philipp Jenninger in dessen Dienstvilla, jedoch nicht im Bundestag empfangen. Zu stark waren die Stimmen in der Union, die gegen eine Aufwertung und Anerkennung der DDR-Volkskammer sowie dessen Repräsentanten sind.

Zeitungskommentatoren, die auf ein gutes Archiv zurückgreifen konnten, erinnerten jedoch an einen offiziellen Besuch der Volkskammer-Spitze Anfang der fünfziger Jahre beim Bundestag in Bonn (den Bundestagspräsidenten stellte- damals die CDU), bei dem SPD-Demonstranten mit Pfeifkonzerten aufgetreten sind. Die Zukunft der innerdeutschen Beziehungen wird in den nächsten Jahren von zwei Entwicklungen abhängen: Erstens scheint sich in der DDR- und SED-Führung ein personeller Wechsel abzuzeichnen, der von Erich Honek-ker selber initiiert wird. Man spricht davon, daß er im Herbst eines seiner beiden Ämter aus Altersgründen abgeben möchte.

Als Favorit für das Amt des SED-Generalsekretärs ist Egon Krenz im Gespräch, ein Vertreter jener Generation, die die Zeit vor 1945 oder gar vor 1933 nur aus der Kind-Perspektive erlebt hat und zur Gänze im SED-System groß geworden ist. Das kann vieles entkrampfen, weil diese Funktionärsgeneration vom „Kalten Krieg“ der späten vierziger und frühen fünfziger Jahre unbelastet ist.

Zweitens hingegen ist die personelle Entwicklung der CDU nach den nächsten Bundestagswahlen 1987 entscheidend. Sofer-ne die Unionsparteien weiterhin an der Regierung bleiben, wird es wichtig sein, wieweit der Einfluß der alten „Vertriebenenpolitiker“ (wie etwa Hupka) noch vorhanden sein wird, oder ob nicht mehr jüngere und flexiblere CDU-Mandatare das Sagen haben werden. Solange aber eine Mauer mitten durch Berlin und Deutschland gezogen ist, und davon ist auch für die nächsten Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, auszugehen, kann das innerdeutsche Gespräch aber keinen wirklichen Durchbruch bringen.

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