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Kompetent, aber schwach

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Das war der Stil, den man von dem neuen Finanzminister erwartet hatte: Er trug seine Budgetrede im Parlament ruhig, sachlich, fast geschäftsmäßig vor, und auch im Inhalt war sie ohne Pathos und ohne die Selbstgerechtigkeit, mit der die Budgetvorlage früher manchmal verbrämt worden war. Nur an zwei, drei Stellen ließ Franz Vranitzky erkennen, daß hier nicht nur der nüchtern denkende Bankmann am Werk ist, sondern auch der seinen sozialdemokratischen Idealen verpflichtete Finanzpolitiker, der im Budget auch eine gesellschaftspolitische Aufgabe sieht.

Zunächst müssen aber die Staatsfinanzen konsolidiert werden. Der Finanzminister meint zwar, die öffentliche Finanzgebarung dürfe nicht am Saldo von Ausgaben und Einnahmen gemessen werden, aber daß das Defizit in seiner derzeitigen Höhe untragbar ist, räumte auch er ein.

Die Fachleute nehmen als eine Kennzahl den Anteil des Nettodefizits an der wirtschaftlichen Gesamtleistung, am Brutto-Inlands-produkt. Der Wirtschaftsforscher und spätere Staatssekretär Hans Seidel hatte schon vor sechs Jahren vor der gefährlichen Entwicklung des Budgetdefizits gewarnt und als grobe Richtschnur einen Satz von 2,5 Prozent empfohlen. Diese Kennziffer wird aber seit langem überschritten; im vorigen Jahr erreichte sie sogar die Rekordhöhe von fast 5,5 Prozent. Wenn man 1985 auf knapp 4,4 Prozent herunterzukommen hofft, so ist das wahrlich noch kein Grund zur Zufriedenheit, zumal Experten für 1987 und 1988 wieder Werte von über fünf Prozent voraussagen — wenn nichts geschieht.

Also muß der Abbau des Budgetdefizits energischer betrieben werden. Der Spielraum dafür ist aber gering. Franz Vranitzky hat es da besonders schwer, denn die Rückzahlung und vor allem der Zinsendienst für die Anleihen und Kredite, die seine Vorgänger mit allzu leichter Hand aufgenommen haben, fällt immer schwerer ins Gewicht. Und gerade da läßt sich nun einmal nichts einsparen, wenn man kreditwürdig bleiben will. Für den Schuldendienst muß schon fast die ganze Lohnsteuer aufgewendet werden; da bleibt immer weniger für Ausgaben übrig, die der Beschäftigung zugute kommen. So kann es also nicht weitergehen.

Will der Finanzminister sich Spielraurn für seine budgetpolitischen Aufgaben — selektive Anreize geben, hemmende Belastungen abbauen — schaffen, dann muß er den Hebel energisch bei anderen Posten der Ausgabenseite ansetzen. Das geht nur noch bei der Umverteilung (Ausgaben im sozialen Bereich, Wohnungsbau, Subventionen und beim Personalaufwand), so hart das klingen mag. Da aber läßt der Budgetentwurf viele, durchaus realistische Wünsche offen.

Selbst in der kurzen Zeit, die Minister Vranitzky für die Budgetarbeit hatte, wären einige stärkere Akzente möglich gewesen — wenn schon nicht im Entwurf selbst, dann in der Rede vor dem Parlament. Daß die „Reform" der Pensionsversicherungen in der Krankenhausfinanzierung noch keineswegs ausreichen, blieb unerwähnt. Bei den ÖBB war vom Investitionsschub, aber nicht vom horrenden Defizit die Rede. Uber die Bundestheater schwieg der Minister überhaupt, ebenso über die heikle Frage der Subventionen, bei denen der Rotstift stark anzusetzen wäre.

Aus all dem spricht leider, daß Vranitzky zwar ein fachlich starker, aber politisch doch eher schwacher Minister ist. Er hat halt keine politische oder gewerkschaftliche Hausmacht. Das muß noch kein Handicap sein, wenn der Finanzminister dafür einen starken Bundeskanzler hinter sich weiß. Reinhard Karnitz hatte in Julius Raab so eine starke Stütze. Aber ist Bundeskanzler Fred Sinowatz der Mann, der dem Finanzminister den Rücken für seine schwere Aufgabe stärkt?

Man hat eher den Eindruck, daß in die Budgetrede mancher Wunsch nach Wählergunst Eingang gefunden hat, vielleicht finden mußte. Dem Umweltschutz widmete der Finanzminister fast drei Seiten seiner Rede, weit über die finanziellen Aspekte hinaus; die finanzielle Problematik der Landesverteidigung war ihm nur neun Zeilen wert. Aber die Sportförderung, mag sie auch nicht Milliarden, sondern nur knapp hundert Millionen erfordern, wird um 16 Prozent höher dotiert.

Minister Vranitzky weiß natürlich, was er will. Aber kann er, was er will? Seine Vorstellungen über die Zinsertragssteuer stießen auf Ablehnung der ÖGB-Spitze, bei den OBB müßte er sich mit der Eisenbahnergewerkschaft einlassen. Im Personalbereich des Bundes, bei der Steuerreform, bei den Subventionen ist es wohl ähnlich.

So gibt der Budgetentwurf für 1985 zwar einige richtige Signale, aber die genügen unter den gegebenen Umständen nicht mehr. Hier muß die Entschlossenheit, die Bundesfinanzen zu konsolidieren, weit klareren Ausdruck finden. Das aber kann auch der beste Finanzminister nicht allein tun, dazu muß er die volle, uneingeschränkte Unterstützung des gesamten Regierungsteams haben. Budgetentwurf und Budgetrede lassen zweifeln, ob Minister Vranitzky dieser vollen Rückendeckung sicher sein kann.

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