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Kompressen fürs Fresko

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In Schloß Parz wurde das größte Renaissance-Wandgemälde nördlich der Alpen entdeckt. Noch weiß niemand, wie es möglich sein wird, es für die Nachwelt zu erhalten.

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In Schloß Parz wurde das größte Renaissance-Wandgemälde nördlich der Alpen entdeckt. Noch weiß niemand, wie es möglich sein wird, es für die Nachwelt zu erhalten.

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Zwischen Wels und Ried im Innkreis, in einem Kerngebiet des von Adel und Bauern getragenen Protestantismus und seiner humanistischen Kultur vor dem Dreißigjährigen Krieg, liegt Schloß Parz.

Durch Abblätterungen des Verputzes und Fensterauswechslung wurde man in den letzten Jahren auf verdeckte Bemalungen aufmerksam. Seit 1986 legten Restaurator Josef Wintersteiger und sein Team in ganzer Fassadenhöhe eine Musterachse frei. Die bisher erkennbaren Darstellungen zeigen antik-humanistische und christliche Themen in offener Polemik gegen den Papst. Da im Laufe des Dreißigjährigen Krieges der Sieg der Gegenreformation zur Rekatholisierung des Landes geführt hat, muß schon gegen 1650 diese politisch brisante Malerei durch Überputzung und einfache Fensterrahmendekorationen wieder zugedeckt worden sein. Mehrfache Ubertünchungen wurden teilweise schon über Schäden ausgeführt.

Die historische Bedeutung und hohe künstlerische Qualität sowie der riesige Umfang des Fundes (an die 900 Quadratmeter!) über 300 Jahre verdeckter Fassadenmalerei werfen prinzipielle Fragen im Spannungsfeld von Konservierungstechnik und Denkmalpflegeethik (Freilegungspro-blematik) auf, zu deren Klärung das Bundesdenkmalamt alle einschlägig erfahrenen Fachleute Österreichs sowie die Amtsrestauratoren Süddeutschlands zu einem Arbeitsgespräch nach Parz einlud.

Ein Probenvergleich von Zuständen der Malerei direkt nach Freilegung und nach ein bis zwei Uberwinterungen im freigelegten Zustand ohne und mit verschiedenen Schutzbehandlungen wird jetzt eingeleitet. Die Frage, wie intensiv und rasch normale Verwitterung und Luftverschmutzung alte Fassadenmalereien beeinträchtigen, ist bisher weder für Italien noch für Landschaften nördlich der Alpen hinreichend gestellt - und noch weniger beantwortet worden. Regional sind mehr oder weniger exponierte und umweltbelastete Lagen zu unterscheiden, weshalb Restauratoren und Denkmalpfleger immer auf die individuelle empirische Risikoprüfung angewiesen sind.

Einigkeit besteht darüber, daß die Freilegung von Freskofunden heute innen und mehr noch außen nur noch eine aus den jeweiligen Umständen begründbare Ausnahme von der Regel des Verzichtes auf derartige Risken darstellen solle. Uber die Kalkulierbarkeit dieser Risken wurde anhand älterer und aktueller Beispiele diskutiert.

Zahlreiche Fassadenmalereien sind nur mehr als Kopie erhalten. Originalreste wurden oft preisgegeben oder in Form abgenommener Fragmente museal deponiert. Der Entscheidungszwang über das Schicksal der wohl größten im Original erhaltenen Fassadenmalerei in Mitteleuropa führt alle damit verbundenen Probleme wie in einem Brennpunkt konzentriert vor Augen.

In der dramatisch-komplizierten Zwangslage darf keine Maßnahme spätere, verbesserte Eingriffe verhindern. Trotz aller akuten Gefährdung muß sowohl bei den bereits freigelegten wie bei den unberührten Malereien auf Zeitgewinn gearbeitet werden. Damit gelangte die Debatte auf den kritischen Punkt, wie denn eine provisorische „Schutz-Verpackung“ einer bewohnten, drei-geschoßigen Südfassade technisch überhaupt machbar sein kann. Von den Alternativen der Einhausung, Uberspannung oder Überputzung hat der Kollegenkreis als realisierbare Variante schließlich nur eine maschinell aufgesprühte Zellstoffkompressenschicht mit deckendem Kalkputz und Kalktünche als effektivste Lösung (zugleich zur Entsalzung) für sinnvoll befunden. Diese Methode soll über den Winter 1987/88 getestet werden.

In der. wärmeren Jahreszeit werden dann die Untersuchungen fortgesetzt und zu einer Dokumentation aller relevanten Daten zusammengefaßt. Anschließend sollen die erwogenen Festigungstechniken neuerlich geprüft und in einer weiteren Probenserie, wieder in situ, empirisch erprobt werden, so die Gipsumwandlung mit Ammonkarbonat-Bariumhy-droxid, die Kompressenentsalzung, organische und anorganische Festigungsmittel. Eine wasserabstoßende Behandlung der herkömmlichen Art wäre bei vergipsten Oberflächen von vornherein unwirksam.

Den verlustreichen Prozeß der „Selbstfreilegung“ hofft man bis zum Vorliegen dieser Ergebnisse durch eine großflächige Verpak-kung aufhalten zu können. Das Dilemma historischer Wandmalereien im Freien ergibt sich allein schon aus der extremen Dünne der Malschicht. Alle Bemühungen konzentrieren sich auf eine Schicht von Bruchteilen eines Millimeters. Das schon als Künstlerzentrum bekannte Schloß Parz muß auf diesem Gebiet neue Maßstäbe setzen.

Der Autor ist akademischer Restaurator, Kunsthistoriker und Dozent an der Akademie der Bildenden Künste in Wien. Er leitet die Abteilung für Konservierung des Bun-desdenkmalamtes. Dieser Beitrag ist ein Auszug aus einer Problemdarsteflung, die demnächst in der Zeitschrift „Maltechnik re-stauro“ erscheint

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