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Kompromiß statt ÖVP-Bindung?

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Viele Mitglieder der größten katholischen Akademikerorganisation Österreichs, des Cartellverbandes, sind gar nicht besonders unglücklich darüber, daß die in den letzten Wochen hitzig geführten Debatten über die Frage, ob der CV einen Anti-SPÖ-Paragraphen beschließen soll, möglicherweise in dieser Woche anläßlich der alljährlichen Cartellversammlung (diesmal vom 3. bis 7. Mai in Melk) enden werden wie das Hornberger Schießen: mit einem Kompromiß, der auf die Gültigkeit der bereits gefaßten Beschlüsse verweist, wonach zwar keine Partei für ein Mitglied des CV „verboten“, das politische Engagement aber doch vom Verhältnis der einzelnen Parteien zur Religion abhängig gemacht wird.

Die Vorgeschichte dieser verbandsintern mit großer Offenheit geführten Debatte hat vermutlich zwei Wurzeln:

• Seit der Cartellversammlung des Vorjahres geistert im CV eine Diskussionsgrundlage für ein Grundsatzprogramm herum, die von vielen Mitgliedern des Verbandes als zu „links“ eingestuft wird.

• Mit Sorge verfolgen engagierte CVer das „Liebes werben“ Bruno Kreiskys in den Reihen der Katholiken.

Einer befürchteten Öffnung des Verbandes hin zur SPÖ sollte nun durch eine klare Abgrenzung des politischen Standortes des CV ein Riegel vorgeschoben werden. Etwa gleichzeitig mit dem Tiroler Universitäts-Assistenten Herwig van Staa, Amtsträger des ÖCV für gesellschaftliche Grundsatzfragen, der für die Festlegung des CV auf die Linie der Volkspartei eintrat, formierte sich auch in der Altherrenschaft der Verbindung Austria-Wien eine ähnliche Initiative. Die Altherrenschaft der Austria-Wien beschloß schließlich einen Antrag an die CVV: „Sowohl die Mitgliedschaft als auch die aktive oder passive, tatsächliche oder ideelle Unterstützung einer Partei oder sonstigen Organisation, die entweder materialistisches oder marxistisch-sozialistisches oder utopisch-sozialistisches oder atheistisches, agnostisches oder religionsfeindliches Gedankengut direkt oder indirekt vertritt oder duldet... sind

mit der Zugehörigkeit zu einer der im ÖCV zusammengeschlossenen Verbindungen unvereinbar.“

Mobilisiert wurden die Gegner dieses Antrages durch zwei unabhängig voneinander operierende Aktionen: Der Wiener Rechtsanwalt Dr. Michael Graff sammelte Aktivisten um sich und verfaßte mit diesen ein Manifest: „Wir lassen uns von Verbands wegen keine parteipolitischen Bindungen -weder positive noch negative - auferlegen“, heißt es darin. Auch Dr. Gerhard Hartmann von der STYRIA in Graz sammelte etwa 80 Unterschriften bekannter CVer, mit dem Ziel, dje Auseinandersetzung mit anderen Parteien nicht durch bloß defensive Abgrenzungen zu führen, „sondern durch offensive Betonung und Vertretung unserer Grundsätze und Grundwerte“.

Auf einer kürzlich einberufenen Sitzung der Verbandsführung, zu der auch Exponenten der einzelnen Aktionen geladen waren, entwickelte sich in sachlicher Diskussion die Auseinandersetzung in Richtung Kompromiß. Tenor: Die alten Beschlüsse bezüglich religionsfeindlicher und agno-stischer Parteien sollen verbindlich bleiben. In einem solchen „Kompromiß-Antrag“ des niederösterreichischen Altherrenlandesbundes heißt es: „Er (der ÖCV) sieht auf Grund der Programme, des praktischen politischen Verhaltens und der erklärten CV-Gegnerschaft maßgeblicher Kräfte derzeit keine Chance, seine gesellschaftspolitischen Grundwerte in der SPÖ und in der FPÖ durchzusetzen.“

Auf ähnliche Formulierungen zielt auch ein Antrag des Vorstandes der Verbandsführung ab, wonach sich der CV zur pluralistischen Gesellschaft und zur parlamentarischen Demokratie bekennt und zu den Parteien keine „Äquidistanz“ hält.

Das breite Spektrum der verbandsinternen Diskussion zeigt auch die Verbandszeitung der Wiener Verbindung Norica, „Forum Na“, auf. Einige interessante Stimmen daraus: • Dr. Michael Graff: „Der ÖCV wird es - unserer Meinung nach - aushalten, wenn der eine oder andere CVer bei einer anderen Partei ist als die Mehrzahl der Cartellbrüder.“

• Dr. Theodor Detter, Altherren-Vorsitzender des ÖCV: „Ich persönlich halte nichts von dem Versuch, Probleme zu bewältigen, indem man sie nicht beim Namen nennt. Ich stehe dazu, daß der ÖCV auch in so einer Frage Farbe bekennen muß.“

• Mag. Alberich Klinger, für die C W vorgeschlagener neuer Vorortspräsident: „Es ist höchste Zeit, das Gesetz des Handelns an uns zu reißen, eigene Programme und Ideen zu entwickeln, den weltanschaulichen und politischen Widersacher in die Defensive zu drängen.“

• Dr. Otto Tschulik, Altherrenvorsitzender der Norica: „Wer wie ich die Gelegenheit hatte, mitzuerleben,... daß ein anderer Cartellbruder... gerade in einem Zeitpunkt Mitglied der SPÖ geworden ist, in welchem er sich um die Lehrkanzel einer österreichischen Universität bewarb, der wird die Notwendigkeit eines klärenden Wortes gewiß anders sehen.“

Die mehr als 100 Delegierten zur C W werden sich auch mit dem vorliegenden Grundsatzprogramm beschäftigen, das aber nicht wie vorgesehen beschlossen, sondern in geänderter Fassung neuerlich zur Diskussion herumgereicht werden soll. Daneben ist mit einer abschließenden Resolution zu aktuellen politischen Fragen, insbesondere gegen die geplante Scheidungsreform, zu rechnen.

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