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FURCHE: Die Auseinandersetzung zwischen Israel und der PLO findet nicht auf dem Verhandlungstisch statt, sondern sehr oft auf dem Gebiet anderer souveräner Staaten. Das gilt sowohl für Kommandöeinsätze der PLO als auch für die Vergeltungsschläge der Israelis (Schwechat, Rom, Tunis). Ist dies Ihrer Ansicht nach verantwortbar?

DAOUD BARAKAT: Die Auseinandersetzung zwischen dem palästinensischen Volk und der Okkupationsmacht Israel findet sicher in Palästina statt, wo fast zwei Millionen Palästinenser unter israelischer Besatzung leben — unterdrückt, ohne zivile oder politische Rechte. Seit der israelischen Besetzung im Juni 1967 sind Über 200.000 Palästinenser durch israelische Gefängnisse gegangen, ganze Dörfer wurden — unter Anwendung der sogenannten Kollektivstrafe - dem Erdboden gleichgemacht.

Auf dieselbe Art und Weise, mit der Begründung nämlich, daß sich ein Familienmitglied dem Widerstand angeschlossen hat, wurden insgesamt 85.000 in die Luft gesprengt. Uber 40 Prozent des Ghaza-Streifens und der West Bank, das heißt von Israel besetzte palästinensische Gebiete, sind beschlagnahmt und an jüdische Siedler übergeben worden. Der wirkliche Widerstand der Palästinenser findet dort statt, wo die israelischen Besatzer sind.

Aber der Staatsterrorismus Israels geht über die Grenzen Israels hinaus. Das veranschaulichte die erst jüngst entführte libysche Zivilmaschine, das im Februar 1973 abgeschossene libysche Linienflugzeug, wo über 100 Zivilisten ihr Leben verloren, der Luftangriff auf Bagdad gegen eine zivile atomare Installation der Ira-kis, der Angriff auf Tunesien, wo die Verwaltungsbüros der Palästinensischen Befreiungsorganisation bombardiert wurden und eine Menge palästinensischer und tunesischer Zivilisten ihr Leben lassen mußten. Zu Ihrer Frage, ob dies zu vertreten sei, kann ich Ihnen nur sagen, daß Sie diese Frage den Israelis stellen müßten.

FURCHE: Haben Terroranschläge und Vergeltungsaktionen nicht eher eine politische Lösung des Nahostproblems verhindert?

BARAKAT: Da stimme ich Ihnen zu, die Frage ist nur, wie man Terrorismus definiert. Meiner Ansicht nach ist der größte Terrorismus der, daß die Israelis den Palästinensern ihr heiliges Recht auf Selbstbestimmung verbieten. Daß Israel als Besatzungsmacht täglich Terror gegen Palästinenser ausübt, das verhindert eine politische Lösung.

FURCHE: Osterreich hat sich als Vermittler für eine politische Lösung des Nahostproblems en-

gagiert. Worin sehen Sie die Erklärung, daß es zu einem bevorzugten Ziel des Terrors geworden ist?

BARAKAT: Die Rolle Österreichs wird von der PLO sehr geschätzt und wir hoffen, daß Österreich auf der Suche nach einer politischen Lösung der Palästinafrage weiterhin aktiv bleiben wird. Ich glaube, daß es übertrieben ist zu behaupten, daß Österreich ein bevorzugtes Ziel des Terrorismus sei.

Sicherlich waren diejenigen, die die Aktion in Schwechat ausgeführt haben, daran interessiert, die exzellenten Beziehungen zwischen der PLO und der österreichischen Bundesregierung zu trüben.

FURCHE: Die Schwechat-At-tentäter haben nach dem Attentat beteuert, sie hätten im Auftrag der PLO gehandelt. Was sagen Sie dazu?

BARAKAT: Ich weiß nicht, woher Sie die Behauptung nehmen, daß die Attentäter beteuert hätten, im Auftrag der PLO gehandelt zu haben. Nach meinen Informationen, die auch mit den durch die Medien verbreiteten offiziellen Erklärungen der österreichischen Behörden übereinstimmen, haben die beiden Uberlebenden wiederholt gesagt, daß sie der Abu-Nidal-Gruppe angehören und nicht der PLO. Wie Sie wissen, steht die Abu-Nidal-Gruppe außerhalb der PLO und hat auch zahlreiche Aktionen gegen die PLO unternommen.

FURCHE:Man hört immer wieder von den „JJissidentengrup-

pen“ der PLO, die auf eigene Faust handeln, eine der aktivsten ist auf diesem Gebiet wohl die Abu-Nidal-Gruppe. Wie entstehen sogenannte „JDissidentengruppen“,und wie beurteilen Sie die Beziehungen innerhalb der PLO?

BARAKAT: Ich glaube nicht, daß es eine palästinensische Besonderheit ist, Dissidenten zu haben, sie existieren in jeder Gesellschaft. Es sind Gruppen, die außerhalb der Legalität agieren. Zum zweiten Teil Ihrer Frage, nämlich über die Beziehungen innerhalb der PLO, möchte ich Ihnen sagen, daß die PLO aus verschiedenen Gremien besteht, deren wichtigste folgende sind: der Palästinensische Nationalrat, der das Exilparlament der Palästinenser ist. In ihm sind die verschiedenen politischen Verbände und Kampforganisationen vertreten, weiters Vertreter von Gewerkschaften, Vertreter verschiedener Berufsgruppen und Unabhängige. Organisationen, die nicht

im Exekutivkomitee der PLO vertreten sind, bilden eben die Opposition.

FURCHE: Der PLO-Vorsitzen-de Yassir Arafat hat vor kurzem in einer Botschaft an den jordanischen König Hussein erklärt, die PLO sei nicht bereit, die UNO-Re-solutionen 242 und 338, in denen das Existenzrecht Israels garantiert ist, anzuerkennen. Welche Voraussetzungen muß es geben, daß man sich gemeinsam an den Verhandlungstisch setzt?

BARAKAT: Zu behaupten, die PLO anerkenne die UNO-Resolu-tionen 242 und 338 deswegen nicht, weil sie eine Anerkennung Israels beinhalten, ist Verdrehung der Tatsachen. Vielmehr geht es darum, daß diese Resolutionen infolge des Junikrieges 1967 entstanden sind, das heißt, zur Lösung der territorialen Frage zwischen den Kriegspartnern in diesem Krieg. Und daß die Palästinenser in diesen Resolutionen nicht erwähnt werden, weder als Volk,

noch ist etwas über ihre politischen Rechte zu finden. In diesen Resolutionen finden die Palästinenser lediglich als „arabische Flüchtlinge“ Erwähnung, für die es eine „humanitäre Lösung“ zu finden gelte.

Gleichzeitig glaube ich nicht, daß die Existenz Israels in Gefahr ist, die Existenz eines Staates, der bis an die Zähne bewaffnet ist und auf allen Linien durch eine Großmacht, die USA, unterstützt wird. Wir Palästinenser sind es, die physisch bedroht sind, wir sind es, die Garantien für einen unabhängigen Staat brauchen.

Um Verhandlungen aufzunehmen, setzen wir voraus, daß solche innerhalb einer von der UNO organisierten Friedenskonferenz, an der alle Konfliktpartner teilnehmen, stattfinden und daß sie auf allen UNO-Resolutionen, die sich mit der Palästinafrage befassen, basieren.

„Daoud Barakat ist Vertreter der PLO in Osterreich. Mit Daoud Barakat sprach Alexander Orssich.

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