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KONFLIKT MIT RUSSEN

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Das Generalsekretariat der Christdemokratischen Internationale in Brüssel hat im Dezember des Vorjahres trotz Proteststimmen einiger christdemokratischer Bewegungen der ehemaligen Sowjetunion eine „Christdemokratische Union Osteuropas” mit Sitz in St. Petersburg gegründet. Den stärksten Widerstand gegen dieses i Gebilde haben die Christdemokraten der Ukraine geleistet.

Zunächst hatten Vertreter der christdemokratischen Bewegungen Georgiens, Armeniens und Weißrußlands gemeldet. Die Entscheidung fiel nicht einstimmig auf St. Petersburg. Praktische Gründe, vor allem die Tatsache, daß das Brüsseler Sekretariat seit längerem mit russischen christdemokratischen Gruppierungen in Kontakt steht, gaben den Ausschlag, den Sitz für den Dachverband in Rußland zu wählen. Der ukrainische Delegierte, My-chajlo Horyn von der Republikanischen Partei und Witalij Zhu-rawskyj von der CDP der Ukraine, erklärten, sie werden diesem Dachverband nicht beitreten können. Unklar ist, ob die Christdemokraten in den baltischen Ländern der osteuropäischen Vereinigung der Christdemokraten fernbleiben werden. Der Grund: ein starker Rechtsruck unter den russischen Christdemokraten (siehe Seite 9). Man besteht auf einer Wiederherstellung eines Großrußlands gemäß der alten Grenzen des russischen Reiches und steht in Kollision mit der fast _ einheitlichen Freude der nichtrussischen Christdemokraten, daß ihre Heimatländer zur Eigenstaatlichkeit gelangt sind.

„Die heutige Situation macht die Wiederherstellung des großrussischen demokratischen Rechtsstaates erforderlich und die Russische Föderation muß in erster Linie als Rechtsnachfolgerin des Russischen Reiches und der UdSSR erklärt werden”, erklärte Wiktor Aksju-tits von der stärksten russischen christdemokratischen Partei. Vorher hatte er baltische Christdemokraten in Verlegenheit gebracht, als er die von Boris Jelzin getroffene Entscheidung begrüßt hatte, den Rückzug russischer Soldaten aus dem Baltikum bis auf weiteres einzustellen. Die Christdemokraten Estlands und Lettlands hatten sich nämlich im Vorjahr sehr bemüht., zur Versöhnung der baltischen Bürger mit den ohne baltische Staatsangehörigkeit verbliebenen russischen „Gastarbeitern” beizutragen. Das Neuaufleben der CDU Lettlands unter dem ökumenisch handelnden Vorsitzenden, Artur Pe-tersons, fand unter ausdrücklicher Befürwortung des orthodoxen Rigaer Bischofs Alexander statt. Wachzurufen sind Erklärungen von Aksjutits aus dem Jahre 1990, als er öffentlich die Eigenstaatlichkeit der Balten begrüßt hatte.

Der wesentliche Konflikt der russischen Christdemokraten und der Gleichgesinnten in den anderen Republiken ist die Tatsache, daß die russischen christdemokratischen Parteien noch nach dem Modell der alten Union handeln. Unter den Russen außerhalb der Russischen

Föderation unterstützen sie die Bildung von christdemokratischen Filialen, wie etwa auf der Krim. Im Vorjahr wurden zwei ukrainische christdemokratische Aktivisten in Mariupol überfallen und schwer verletzt. Parallele christdemokratische Strukturen sind auch in Weißrußland bemerkbar. Neben der CDU und CSU Weißrußlands besteht eine „Weißrussische Abteilung der CDU Rußlands”, die stets die Losung „Russen, Ukrainer und Weißrussen - das dreieinige slawische Volk” verbreitet. Der Vorsitzende der CDU Weißrußlands ist übrigens der Adventist Michail Waschkewitsch aus Minsk. Die Orthodoxen sind politisch mit einer eigenen „Orthodo-_ xen Volkspartei” vertreten.

Während die Tätigkeit der russischen Christdemokraten auf dem Boden Weißrußlands kaum beachtet wird, reagieren ukrainische Christdemokraten sehr gereizt. So hat jüngst eine Delegation ukrainischer Christdemokraten russische Christdemokraten in Moskau und St. Petersburg besucht und sie vor negativen Auswirkungen gewarnt, wenn sie mit russischen Kommunisten die „ultranationalistische Karte” mitspielen. Die CDP der Ukraine hat inzwischen eine überkonfessionelle Struktur gewonnen. Seit ihrer Gründung im Mai 1990 vertrat die ukrainische CDP die Interessen der griechisch-katholischen Kirche. Ihr Vorsitzender, Wasyl Sitschko, der im April des Vorjahres abgewählt wurde, ist als ein lange Jahre inhaftierter Bürgerrechtler und katholischer Aktivist bekannt. Sein Nachfolger, Witalij Zhurawskyj, kommt aus Kiew. So hat sich die Partei in der Ostukraine, insgesamt in sechzehn Gebieten, verbreitet und ihre Mitgliederzahl auf 12.000 verdoppeln können. Die griechisch-katholischen Christdemokraten, die auf eine konfessionelle Partei nicht verzichten wollten, gründeten eine eigene Christlich-Soziale Union (CSU) der Ukraine.

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