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Konig Kunde als Ware?

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Herr M. kauft bei einer Sport-handelskette Langlaufschi - und er bekommt zwei Jahre spater Prospekte der Oberkarntner Hotels ins Haus. Frau I. laBt ihre Urlaubsfotos bei einer Fotokette ausarbeiten - und sie erhalt schon wenige Wochen danach Werbezu-sendungen eines Amsterdamer Verlages fiir Fotobiicher. Mit der neuen Gewerbeordnung konnen solche - oft illegalen - Dateniiber-mittlungen die Regel werden.

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Herr M. kauft bei einer Sport-handelskette Langlaufschi - und er bekommt zwei Jahre spater Prospekte der Oberkarntner Hotels ins Haus. Frau I. laBt ihre Urlaubsfotos bei einer Fotokette ausarbeiten - und sie erhalt schon wenige Wochen danach Werbezu-sendungen eines Amsterdamer Verlages fiir Fotobiicher. Mit der neuen Gewerbeordnung konnen solche - oft illegalen - Dateniiber-mittlungen die Regel werden.

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Kundendaten werden oft fiir Wer-beaussendungen anderer Firmen ver-wendet. Andressenverlage interessie-ren sich besonders fiir die begehrte Ware „Kundendaten”. Das Daten-schutzgesetz enthalt aber eine Ver-fassungsbestimmung, daB jeder An-spruch auf „Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit er daran ein schutzwiir-diges Interesse, insbesondere in Hin-blick auf Achtung seines Privatle-bens, hat”.

Sozusagen als Weihnachtsgeschenk beschloB der Nationalrat in seiner letzten Sitzung 1992 in der Novelle zur Gewerbordnung, daB sich Adres-senverlage nicht an diese Verfassungs-bestimmung halten miissen.

Adressenverlage erhalten das Pri-vileg, Daten aus Kunden- und Inter-essentendateien aufzukaufen, „solan-ge die Betroffenen dies nicht aus-drttcklich untersagt haben. Auf die Moglichkeit der Untersagung ist aus-driicklich und schriftlich hinzuwei-sen, wenn Daten vom Betroffenen zu ermitteln sind”.

Wer eine Ware oder Informations-material bestellt oder aber auch nur bei einem Preisausschreiben mitmacht und nicht gleich der Datenweitergabe widerspricht, muB in Zukunft damit rechnen, daB seine Daten weiterver-kauft werden.

Was darf gekauft werden?

Folgende Daten konnen Adressenhandler ungefragt aufkaufen:

„1. Name, 2. Titel, 3. akademische Grade, 4. Anschrift, 5. Geburtsjahr, 6. Berufs-, Branchen- oder Geschafts-bezeichnung und 7. Zugehorigkeit des Betroffenen zu dieser Kunden- und Interessentendatei.”

Von einem Schutz der Privatsphare kann kaum mehr gesprochen werden. Denn nicht nur Geburtsdatum und Beruf, sondern auch wo man etwas einkauft,beziehungsweisewofiir man sich interessiert, geht eigentlich frem-de Unternehmen nichts an.

Wer seine „ausdriickliche schriftli-che Zustimmung” zur Datenweitergabe gibt, von dem sollen auch noch folgende zusatzliche Daten ermittelt, verarbeitet und iibermittelt werden diirfen:

„1. Daten, welche die rassische Herkunft, politische Anschauungen oder religiose oder andere Uberzeugungen erkennen lassen oder

2. Daten, welche die Gesundheit oder das Sexualleben betreffen oder

3. Daten, welche Riickschliisse auf strafrechtliche Verurteilungen zulas-sen.”

„Robinsonliste” als Schutz

Als Kompensation fiir die Durchlo-cherung des Datenschutzes sollen Adressenhandler die Werbeaussen-dungen so gestalten, daB die Herkunft der Daten auch nach Loschung des Datenbestandes festgestellt werden kann. Dem in seiner Privatsphare belastigten Burger muB der Adressenhandler iiber die Herkunft der Daten Auskunft geben, aber nur, wenn er innerhalb von drei Monaten an-fragt. Weiters sind Adressenverlage verpflichtet, innerhalb von vier Wochen die Daten auf Antrag des Betroffenen zu loschen.

Wer nicht andauernd nach jeder Zusendung den verantwortlichen Adressenhandler ausforschen und die Loschung seiner Daten begehren will, der muB sich gegeniiber dem Fachverband Werbung und Marktkommu-nikation der Bundeswirtschaftskam-mer als Werbemuffel deklarieren und sich in die „Robinsonliste” eintragen lassen. Adressenverlage sollen an in dieser Liste aufscheinenden Personen keine Werbeaussendungen schicken und auch deren Daten nicht an andere Firmen „vermitteln”.

Der Konsument bleibt freilich auf den guten Willen der Adressenhandler angewiesen, denn Strafbestimmun-gen fiir Nichtbeachtung der „Kom-pensationen” sieht die Gewerbeordnung nicht vor.

Dunkel und verworren - wie so manche Wanderschaft von Kundendaten - ist die Aufnahme der Bestim-mung iiber Adressenverlage in die Gewerbeordnung. Der fallweise An-kauf von Kundendaten durch Adressenverlage wurde bisher von der Wirt-schaftskammer als Nebenerwerbs-recht gerechtfertigt. Im Datenschutz-gesetz steht aber, daB der Betroffene (Kunde) explizit seine Zustimmung zur Weitergabe bestimmter Daten an bestimmte Stellen geben muB.

Ein Adressenverlag wollte sich gar die Ubermittlung derart illegal erwor-bener Daten in das Ausland zur wei-teren Verarbeitung von der Daten-schutzkommission genehmigen lassen. Die Datenschutzkommission lehnte dieses Begehren ab und der Adressenenverlag klagte beim Ver-waltungsgerichtshof. Dieser setzte im Februar vergangenen Jahres der „Aus-rede” Nebenerwerbsrecht ein Ende und stellte in seinem Urteil fest:

□ Wenn Daten fiir fremde Aussen-dungen „zur Verfiigung” gestellt werden, so ist das eine Ubermittlung, da die Daten nicht mehr fiir den ur-spriinglichen Zweck verwendet werden.

□ Die Datenweitergabe durch Handler ist verboten, da der Kunde eine Vertrauensbeziehung eingeht, in der er erwarten kann, daB seine Daten vertraulich behandelt werden.

□ Bei Kundendaten handelt es sich um sensible Daten, da Angaben iiber gekaufte Produkte Riickschliisse iiber Interessen und Kaufverhalten erlau-ben.

□ Auch wenn der Handler eine Ge-werbeberechtigung als Adressenhandler hat, darf er die Kundendaten nicht fiir fremde Werbeaussendungen ver-wenden, da er die Daten in seiner Eigenschaft als Handler und nicht als Adressenverlag bekommen hat.

Als einzig legale Moglichkeit bleibt, daB Firmen ihre Kunden fragen, ob sie deren Daten an bestimmte Adressenverlage weitergeben diirfen. Die Wirtschaftskammer regte an, in der Novelle zur Gewerbeordnung nach-traglich - also ohne Begutachtung -Adressenverlagen zu erlauben, Kundendaten ungefragt aufzukaufen.

Ganz im stillen ging es aber doch nicht. DerDatenschutzrat, in dem auch

Wirtschaftsvertreter sitzen, befaBte sich mit diesem Vorschlag und richte-te eine Arbeitsgruppe Adressenverlage” ein. Diese organisierte am 19. eine „sozialpartnerschaftliche Bespre-chung” mit einem Vertretern des Bun-deskanzleramtes, des Gesundheitsmi-nisteriums und des Datenschutzrates.

Dort wurden die Vorschlage disku-tiert, durch welche „Kompensationen” man die „Beschrankung des Grund-rechtes auf Datenschutz fiir den Betroffenen” ertraglich machen konne. Nicht vertreten in dieser „sozialpart-nerschaftlichen” Gesprachsrunde: Konsumentenschiitzer, Datenschiitzer und die Arbeiterkammer. Der Daten-schutzrat scheint seinen gesetzlichen Auftrag, Verbesserungen des Schut-zes von Daten anzuregen, nicht son-derlich ernst genommen zu haben.

Im Ministerrat am 30. Juni kam es dann anders: Wirtschaftsminister Wolfgang Schiissel brachte den von der Fachgruppe Werbung ausgearbei-teten Entwurf zur Erlaubnis unbe-schrankter Datenweitergabe, auch gegen den Willen der Konsumenten, ein. Gesundheitsminister Michael Ausserwinkler, der auch fiir den Konsumentenschutz zustandig ist, beharrte auf dem Schutz der Konsu-mentendaten und setzte durch, daB die Regierungsvorlage weiterhin darauf abzielte, daB Inhaber von Kunden- und Interessentendateien nur dann Daten weitergeben diirfen, wenn „eine ausdriickliche schriftliche Zu-stimmungserklarung des Betroffenen vorliegt.”

Die Vertreter der Adressenverlage gaben sich aber nicht geschlagen. Und endgiiltig formuliert wurde die Gewerbeordnung dann im Wirtschafts-ausschuB des Nationalrates. Laut Doris Schmidauer, die als Wirtschaftsre-ferentin der Griinen an den Verhand-lungen teilgenommen hatte, haben die Koalitionsparteien dort damit argu-mentiert, daB der Datenschutzrat sein Einverstandnis zur Aufweichung des Regierungsentwurfes gegeben hatte - und es wurde nicht mehr lange dis-kutiert. Der Datenschutzrat sei, so Schmidauer, unter groBem Druck der Wirtschaft gestanden.

Enttauscht ist jetzt Hans Zeger vom Datenschiitzerverein „Arge Daten”: „Der Datenschutz von sieben Millionen Osterreichern wurde einfach zu-gunsten von Wirtschaftsinteressen durchlochert.”

Offen bleibt wohl auch die Frage, ob diese zuletzt vom Parlament be-schlossene Fassung nicht nur den Schutz der Privatsphare verletzt, sondern auch den Gleichheitsgrundsatz. Warum, so konnten sich manche fragen, sollen denn eigentlich nur die Adressenverlage das Privileg einge-raumt bekommen, den Schutz perso-nenbezogener Daten vor ungerecht-fertigten Ubermittlungen iiberschrei-ten zu diirfen?

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