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Konjunktur bleibt gedampft

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Nach einer raschen Aufwärtsentwicklung vor und nach der Jahreswende 1976/77 ist die internationale Konjunktur im Sommer 1977, mit Ausnahme der Vereinigten Staaten, wieder ins Stocken geraten. Einige große Länder begannen schon mit einer Stabilisierungspolitik, ehe noch der konjunkturelle Wachstumsprozeß sich voll entwickeln konnte und obwohl die Arbeitsmarktprobleme noch nicht gelöst waren. Damit sollte einerseits die Gefahr eines neuerlichen Inflationsstoßes abgewehrt werden (Bundesrepublik Deutschland) anderseits die außenwirtschaft-liehen Probleme von Frankreich, Großbritannien und Italien einer Lösung nähergebracht werden.

Trotzdem verlief die Entwicklung in der Bundesrepublik enttäuschend, hatte man dort doch noch vor einem Jahr einen Zuwachs des Bruttosozialproduktes um fünf Prozent erwartet. Nach vorläufigen Berechnungen ergibt sich jetzt eine Wachstumsrate von lediglich 2,4 Prozent.

Als Folge der Stagnation haben sich die Arbeitsmarktprobleme in den meisten Ländern verschärft. Zu Herbstbeginn 1977 wurden im OECD-Raum bereits über 16 Millionen Arbeitslose, das sind 5,4 Prozent der Erwerbstätigen, gezählt Als Voraussetzung dafür, daß 1978 die Arbeitslosigkeit in der OECD zurückgeht, wird von den meisten europäischen Konjunkturforschungsinstituten, wie auch dem OECD-Sekretariat, ein reales Wachstum von 4,5 Prozent für alle OECD-Länder als notwendig erachtet. Die OECD schätzt das reale Wachstum des gesamten OECD-Raumes für 1978 aber nur auf 3,5 bis vier Prozent, wobei die reale Wachstumsrate von OECD-Europa mit drei Prozent noch darunter hegt. Unter diesen Annahmen dürfte die Arbeitslosigkeit 1978 noch steigen.

Trotzdem ist der Hang zu einer ex-panisven Fiskal- und Geldpolitik in den meisten Ländern noch immer gering. Dafür sind verschiedene Gründe ausschlaggebend. Bei nur allmählich zurückgehenden Inflationsraten, hohen Budgetdefiziten und weit verbreiteten Zweifeln an der Zweckmäßigkeit einer Fortsetzung der Politik der Budgetdefizite zur Konjunkturbelebung, wollte und will man zumindest nicht zu rasch wieder auf eine expansive Wirtschaftspolitik umschalten.

Die Aussichten auf eine durchgreifende Änderung des Konjunkturbildes im neuen Jahr sind daher eher bescheiden. Die von einer Reihe von Regierungen ergriffenen oder angekündigten Maßnahmen zur Konjunkturunterstützung werden gerade einen Rückgang der Produktion und des Außenhandels verhindern.

So wie schon 1977 wird auch 1978 ein Wachstumsgefälle zwischen den großen und den kleinen Industrieländern bestehen. Dies ist eine Folge des rascheren Wachstums in den Vereinigten Staaten und in Japan. Kleinere westeuropäische Länder wie Schweden, Holland, Belgien und Österreich, die in der Vergangenheit eine etwas expansivere Konjunkturpolitik als die mehr restriktiv eingestellten großen europäischen Länder versuchten, können diese Politik nicht mehr durchhalten. Ihre Handels- und Leistungsbilanzprobleme haben sich als Folge dieser Politik so sehr verschärft,daß sie entweder abwerten (Skandinavien) oder die Inlandsnachfrage durch eine restriktive Fiskal-, Einkommens- und Geldpolitik dämpfen mußten (Österreich). Diese Länder werden sich daher eine expansionistische Politik nicht mehr leisten können.

In den letzten Monaten des Jahres 1977 hat sich der Anstieg der Verbraucherpreise, mit Ausnahme der USA, wieder verlangsamt. In der Schweiz, der Bundesrepublik Deutschland, den USA und Österreich stiegen die Verbraucherpreise 1977 am schwächsten. In den skandinavischen Ländern dürfte die Abwertung zu einem Anstieg der Verbraucherpreise führen. 1978 dürfte die Inflationsrate allgemein etwas zurückgehen, in der gesamten OECD auf 7,5 Prozent, in OECD-Europa von 9,5 Prozent (1977) auf 8,5 Prozent.

Die USA haben als eines der wenigen OECD-Länder einen starken und seit 1976 selbsttragenden Konjunkturaufschwung zu verzeichnen. Die Konjunkturprognosen rechnen für 1978 mit einem Wachstum von fünf Prozent real, das wäre ebensoviel wie im abgelaufenen Jahr. Die Zahl der Beschäftigten dürfte bis Ende 1977 um vier Millionen angestiegen sein, nachdem bis Ende November 1977 dieser Anstieg bereits 3,6 Millionen betrug. Die Arbeitslosenrate ist von 7,7 Prozent (1976) auf unter sieben Prozent (wahrscheinlich 6,9) gefallen. Nur das amerikanische Zahlungsbilanzproblem und in seinem Gefolge der Verfall des US-Dollars passen nicht ganz in das gute Konjunkturbild. Vom Standpunkt der Weltwirtschaft wäre ein Energiesparprogramm zur Senkung der übermäßigen amerikanischen öl-einfuhren die beste amerikanische Maßnahme zur Zahlungsbilanzsanierung.

Japan war 1977 das zweite große Industrieland, daß mit sechs Prozent noch ein beachtliches reales Wachstum erzielte. Eine expansive Geldpolitik und starke Exportbemühungen dürften auch 1978 ein Wachstum über dem OECD-Durchschnitt ermöglichen (5,5 Prozent).

In der Bundesrepublik Deutschland hingegen dürfte das reale Wachstum trotz des seit Herbst 1977 expansiveren Kurses der Wirtschaftspolitik, nur 3,5 Prozent betragen. Da diese Wachstumsrate nicht ausreicht, die Arbeitslosigkeit zu reduzieren, rechnet man mit einem Anstieg der Arbeitslosenzahl um 70.000 im Jahresdurchschnitt auf 1,1 Millionen. Dafür dürfte aber die Inflationsrate auf 3,5 Prozent absinken.

Großbritannien könnte von allen europäischen Industriestaaten 1978 den größten Sprung in der Wachstumsrate, von 0,2 Prozent (1977) auf drei bis vier Prozent, machen. Auch seine Leistungsbilanz, die bereits 1977 erstmals seit Jahren wieder ausgeglichen war, dürfte sich 1978 weiter verbessern. Auch Italien und Frankreich werden bei Weiterführung ihrer restriktiven Poütik 1978 ihre Leistungsbilanzen weiter verbessern.

Die Kleinstaaten der OECD wollen 1978 durch geringere Wachstumsraten ihre Zahlungsbilanzen ebenfalls entlasten. Ob es aber den meisten OECD-Ländern 1978 gelingen wird, ihre Zahlungsbilanzen im erhofften Ausmaß zu verbessern, hängt nicht zuletzt von der Erdölpreisentwicklung sowie der internationalen Abstimmung der Wirtschaftspolitik ab, die mehr Rücksicht auf die schwächeren Glieder der internationalen Gemeinschaft nehmen müßte. Sonst könnte es zu einem Wiederaufleben des Protektionismus kommen.

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